Die Briten haben abgestimmt! Mit knapp 52 Prozent votieren sie klar für einen Ausstieg aus der Europäischen Union. Eine Katastrophe für Europa? Nein!
eine Kolumne von Sebastian Fiebiger
Man kann einen großen Staatenbund – wie die EU – nicht auf Dauer ohne demokratische Legitimation führen. Macht man die Entscheidung über eine EU-Mitgliedschaft zur „Schiedsrichterentscheidung“ drohen bei europäischen (Wirtschafts-)krisen Unruhen, das Erstarken der politischen Extreme und im schlimmsten Fall Bürgerkriege.
Ein knappes Nein zum Brexit wäre schlimmer
Ein klares Bekenntnis der Briten zur EU wäre das beste Szenario gewesen. Das lag aber gar nicht mehr auf dem Tisch. Und ein knappes Votum gegen den Brexit ist der Worst-Case. Es hätte eine jahrelange Hängepartie mit immer neuen britischen Sonderforderungen und dem entsprechenden „Gerechtigkeitsausgleich“ für andere EU-Länder gedroht. Die Union wäre in ihrer Bewegungsfreiheit erheblich eingeschränkt und auf einen sehr kleinen gemeinsamen Nenner beschränkt gewesen.
Besser, es ist Großbritannien
Die EU wird ohnehin irgendwann auf die Probe gestellt. Besser es passiert jetzt – in einer Situation ohne bestehende Großkrise. Und besser es ist Großbritannien – ein Land, das sich ohnehin nie vollständig zu Europa bekannt hat. Die mittelfristigen Auswirkungen des UK-Ausstiegs sind im globalen Maßstab kaum relevant. Der Wirtschaftsmotor der Welt sitzt schon lange nicht mehr auf der Insel.
Zerfällt Großbritannien? Oder die EU? Oder Beides?
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Großbritannien in Folge des Brexit zerfällt. In Schottland und Nordirland hat man gegen den Brexit gestimmt. Die Regierungen sind pro-europäisch. Gut vorstellbar, dass dort eigene Referenden und Anträge auf EU-Mitgliedschaft folgen. Dann wird der Brexit für Europa endgültig zum Non-Event.
UK droht außenpolitischer Bedeutungsverlust
Jenseits der wirtschaftlichen Folgen droht UK ein außenpolitischer Bedeutungsverlust. Die USA haben schon klar zu verstehen gegeben, dass Großbritannien im Falle eines Brexit in der Präferenz der Partner nach hinten rutscht. Gut für Deutschland, das für die Vereinigten Staaten damit immer wichtiger wird.
Und die EU?
Unwägbar ist der weitere Weg der EU. Es steht die Befürchtung, dass weitere Länder dem britischen Beispiel folgen. Dafür wird die Zeit zum kritischen Faktor. Der Ausgang anderer Referenden wird entscheidend davon abhängen, ob bis dahin bereits negative Auswirkungen des Brexits sichtbar sind. Dazu muss aber klar sein, dass die Briten jetzt „im anderen Club spielen“. Die Union muss konsequent sein und dafür sorgen, dass Großbritannien keine „DDR mit Westgeld“ bekommt, in der es zwar alle Vorzüge genießt, die die Mitgliedschaft böte, aber keine Lasten trägt.
Es darf in der EU kein „Weiter so!“ geben
Ein „Weiter So!“ darf es in der EU nicht geben. Die europäischen Länder müssen einen intensiven Diskurs darüber anstoßen, wie man die Europäische Union und ihre Institutionen reformieren kann. Der Brexit muss auch für die Union ein Weckruf sein, das Bündnis wieder mehr auf die Bedürfnisse der Staaten und nicht auf den Selbstzweck auszurichten.
Das schreiben Andere über den Brexit:
1 Severin hätte auch mit „Out!“ gestimmt. Aber aus anderen Gründen.
2 Stefan Bielmeier (DZ Bank) über die Überreaktion der Märkte auf den Brexit
3 André Tautenhahn: Brexit: Weder Hirn noch Handtasche
4 Manuel Müller (Lost in Europe): Der Brexit, eine Chance?
5 Fiona Weber-Steinhaus für NEON: Should we stay or should we go?
6 Marco Vollmar (WWF): Was der Brexit für den Naturschutz bedeutet
7 Hermann-Josef Tenhagen (Finanztip): Brexit: Diese 6 Dinge müssen Sie jetzt wissen
8 Felix Simon (FAZ): Studieren mit Brexit?
9 Thomas Otto (Deutschlandfunk): Freude über den Brexit
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