Lernen ist auch für Erwachsene der beste Weg in unsere Gesellschaft. Solange sie gleichzeitig arbeiten dürfen. Ein Vorschlag für Integration in drei Schritten.
ein Beitrag von Prof. Dr. Ronny Fürst
Im Moment prägen Fluchtszenen unsere Medienlandschaft, die Diskussion um Grenzmauern und Transitzonen bestimmt die Politik. Wie viele Menschen insgesamt in unserem Land Schutz suchen werden, vermag niemand vorherzusagen. Sicher ist, dass es uns vor integrative Herausforderungen stellen wird. Bei diesen muss Bildung eine zentrale Rolle spielen – und zwar weit über die Ausbildung der jungen und jüngsten Migranten hinaus.
Wer die Gefahren des Heimatlandes und in Deutschland die ersten Monate Unsicherheit und Improvisation hinter sich gelassen hat, sehnt sich nach einem Weg in die Normalität zurück. Er will die Kinder wieder in den Kindergarten oder die Schule gehen lassen, selbst eine Arbeit aufnehmen und den eigenen Lebensunterhalt bestreiten. Ebenso wichtig ist es aber auch, dass die Neuankömmlinge erste neue Kontakte knüpfen, sich zu einer Gruppe dazugehörig fühlen dürfen. Ein Weg der kleinen Schritte, mit denen man aber früh beginnen sollte und kann.
Schritt 1: Arbeiten heißt ankommen
Jede Form von Arbeit ist der beste erste Schritt zur Integration. Selbst Studien unter einheimischen Arbeitslosen zeigen regelmäßig, dass der Mangel an Arbeit viel mehr ist als reine Erwerbslosigkeit. Es ist ein Mangel an Struktur, Sinnhaftigkeit und Zufriedenheit. Wer nicht arbeitet, dem fehlt nicht nur Geld, sondern der Kontakt mit Kollegen und Kunden. Für Migranten wiegt dieses Defizit umso schwerer, als sie in einem fremden Land ohnehin unsicher sind, mit der Sprache hadern, alltägliche Gepflogenheiten nicht kennen und wenig oder keine Kontakte haben.
Der beste Weg, um diese Defizite nach und nach hinter sich zu lassen und den ersten großen Schritt in die Gesellschaft zu nehmen, ist eine Arbeitsstelle. Das kann zu Beginn auch ein Praktikum sein, ein 1-Euro-Job oder eine Aushilfsstelle. Wer hier erste Kontakte schmieden, seine Sprach- und Ausdruckssicherheit steigern und etwas Routine zurückgewinnen kann, hat den ersten Schritt zurück in die Normalität genommen.
Schritt 2: Zum Lernen ist es nie zu spät
Die erste Hürde in die Arbeitswelt ist genommen. Einige Wochen oder Monate wird man sich darüber freuen, dann stellt sich ein Gefühl der Ernüchterung ein: dass dieser erste neue Job nicht der eigenen Qualifikation entspricht, dass die Ausbildung in Deutschland nicht anerkannt wird. Jetzt ist der richtige Moment erreicht, um sich über den zweiten Schritt Gedanken zu machen.
Wer nicht zu den gefragten Gruppen von MINT- und Handwerksberufen gehört, wird es ohne einen deutschen Abschluss auf unserem Arbeitsmarkt schwerer haben. Sobald die Sprachkenntnisse solide genug sind, sollten sich Migranten daher über Weiterbildungsmöglichkeiten informieren, um sich langfristig mit einem Abschluss bewerben zu können, wie ihn Behörden und Personalverantwortliche zumeist erwarten. Sukkzessive können sie so der schlechtbezahlten Aushilfsstelle entwachsen. Doch Vorsicht: Den Job gegen die Schulbank einzutauschen, ist keine gute Lösung.
Schritt 3: Bildung und Beruf parallel gestalten
Stattdessen bietet es sich an, Beruf und Weiterbildung gleichzeitig zu verfolgen. Dass dies zeitlich machbar und sogar ein ganzes Studium neben einer Vollzeitanstellung zu schaffen ist, beweisen in Deutschland viele Tausend Arbeitnehmer, die sich in ihrer Freizeit privat fortbilden. Die Bildungsanbieter haben sich auf diesen Trend eingestellt, machen ihr Lehrmaterial im Internet verfügbar, bieten statt Präsenzveranstaltungen Online-Seminare und -Tutorien an.
Die Finanzierung müssen die Flüchtlinge dabei nicht ohne Unterstützung stemmen. Viele Arbeitgeber fördern Weiterbildungen, und es gibt ein breites Spektrum an Stipendienprogrammen.
Auch unsere Hochschule plant derzeit einige Flüchtlingsstipendien: Mit Unterstützung unseres Gesellschafters Aurelius vergeben wir in den drei Studienbereichen Wirtschaft, Technik und Kommunikation jeweils ein Stipendium. Dabei übernehmen wir die Gebühren für einen Lehrgang oder einen ganzen Bachelor-, Master- oder MBA-Studiengang, die ansonsten bis zu 15.000 Euro betragen. Um so hoffentlich ein paar Brücken für diejenigen zu bauen, die ihre Integration und ihre Chancen auf unserem Arbeitsmarkt selbst in die Hand nehmen wollen.
Der Autor
Prof. Dr. Ronny Fürst ist CEO der AKAD University, die seit 56 Jahren Pionier im deutschen Fernstudienmarkt ist.
Die Hochschule nimmt bei entsprechender Berufserfahrung auch Studenten ohne Abitur auf. Sie hat sich speziell auf Berufstätige ausgerichtet, die parallel zum Beruf flexibel, individuell und effizient einen Hochschulabschluss in Wirtschaft, Technik oder Sprachen erreichen wollen.