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Die sexuelle Selbstbestimmung der Frau ist in der Theorie eine tolle Sache, und spätestens seit „Vorzeigevamp Samantha“ aus „sex and the city“ wissen wir auch ganz genau, wie das weibliche Pendant zum männlichen Macho auszusehen hätte.
Prädikat „bemerkenswert“: Mrs. Jones vögelt sich fröhlich trällernd durch die Weltgeschichte, räumt dabei einen multiplen Orgasmus nach dem anderen ab und hat für die emotionalen Konflikte und zwischenmenschlichen Zerreißproben ihrer Geschlechtsgenossinnen nicht mehr als ein müdes Lächeln und nur wenig Verständnis übrig: Samantha weint nicht. Samantha ist hart wie Kruppstahl. Samantha schert sich einen feuchten Dreck um die Gefühle anderer und ist sich der Einfachheit halber selbst die Nächste.
Eine gesunde Portion „Scheiß drauf“
Mal ganz ehrlich: Es gibt Momente, in denen ich alles dafür geben würde, ein wenig mehr wie Samantha zu sein. Härter. Egoistischer. Und wenigstens in Sachen Männer ein kleines bisschen unbesiegbar. Ich hätte da nämlich noch ein gebrochenes Herz zu rächen. Außerdem ist das weibliche Dasein per se nicht gerade ein Kindergeburtstag und eine gesunde Portion „Scheiß drauf“ hat noch keinem Selbstschutzmechanismus geschadet.
Samantha funktioniert nicht
Ich habe es ernsthaft versucht, und das Ergebnis hatte nicht einmal ansatzweise mit einem subjektiven Gefühl der sexuellen Selbstverwirklichung zu tun. Hätte mir das böse Erwachen auch sparen und mir genauso gut gleich eigenhändig einen Dolch durchs Herz rammen können. Ein postkoitaler Blick in den Spiegel und die unvermeidliche Erkenntnis: Samantha funktioniert nicht. Samantha ist nicht authentisch. Samantha hinterlässt allerhöchstens einen schalen Nachgeschmack, emotionale Verwirrungen und hässliche schwarze Ränder unter den Augen.
Der zum Himmel stinkende Denkfehler: Emanzipation (egal unter welchem Aspekt) bedeutet keineswegs, dass wir Frauen uns einfach männliche Verhaltensmuster über den Kopf stülpen und uns dabei vormachen können, dass das ganz genau das wäre, was wir schon immer gewollt hätten. Schließlich und endlich: Frau bleibt Frau und eben dementsprechend hoffnungslos gefühlsverhaftet. Wir können einfach nicht aus unserer Haut! Selbst, wenn wir uns manchmal händeringend eine etwas straffer organisierte Gefühlswelt wünschen würden, ergibt das in der evolutionären Synergie wahrscheinlich auch irgendeinen finalen Sinn.
Wie weit kann frau sich verbiegen ohne sich selbst untreu zu werden?
Erstens: Frauen beziehen ihre Befriedigung immer und ausnahmslos auch über Emotionen. Mit Adrenalinkick, Kamasutrasport oder Erfolgsquote hat das im Grunde überhaupt nichts zu tun. Natürlich mögen wir guten Sex, aber richtig guten Sex haben wir eben nur dann, wenn wir uns während dessen wenigstens glaubhaft einreden können, als individuelle Person und nicht nur als temporär verfügbares Geschlechtsorgan wahrgenommen zu werden. Die unspektakuläre Wahrheit? Lieber die „Missionarstellung“ mit Herz, als den „eingesprungenen Antichristen“ ohne persönlichen Bezug. Die Bezeichnung „Liebhaber“ kommt schließlich und endlich eben doch von „lieb haben“, sonst würde es ja „Turnierstecher“ oder „Hochleistungspenetrator“ heißen.
Wir werden uns auch in tausend Jahren an keinem Mann rächen können…
Zweitens: Keine Chance, wir werden uns auch in tausend Jahren an keinem Mann rächen können, indem wir mit ihm schlafen und ihn anschließend fallen lassen. Tut mir leid, aber der Schuss muss einfach entweder im Rohr krepieren oder nach hinten losgehen! Bei Frauen mag das funktionieren: („Schluchz / heul / jammer – ich wurde benutzt!“, kennt man ja.) Umgekehrt heißt das bei Männern allerdings: „Juhu – wieso passiert mir so was nicht öfter?“ Hat wahrscheinlich was mit dem biologisch durchaus sinnvollen Ungleichgewicht der Anzahl von Spermien zu Eizellen zu tun, und schon alleine deswegen darf man daraus niemandem einen Vorwurf machen.
Logische Folgerung: Samantha ist ein durchaus amüsantes, schmackhaft aufbereitetes Konstrukt, aber alles andere als realitätstauglich. Aus genannten Gründen glaube ich nicht an das Klischee der „männermordenden femme fatale“, die auf der Jagd nach sexuellen Höhepunkten ihre Liebhaber durchnummeriert und ohne jegliche Gewissensbisse über emotionale Leichen geht. Bin mir nicht ganz sicher, ob ich das bedauern soll, aber eines steht fest: Ich habe weder jemals eine getroffen, noch irgendwann von einer gehört.
Theorie vom „gegengeschlechtlichen Kuhhandel“
Jedes Kind kennt die Theorie vom „gegengeschlechtlichen Kuhhandel“, demzufolge Frauen in der Regel Sex für Liebe, und Männer im Gegenzug Liebe für Sex eintauschen würden. Zugegeben, dabei kommen die Jungs nun wirklich schlechter weg, als sie es eigentlich verdient hätten, aber zumindest was uns Frauen anbelangt, liegt im Kern eben doch ein kleines bisschen Hase begraben:
Der schmerzhafte Mittelweg?
Im Endeffekt gibt es für Frauen nämlich ganz genau drei ausschlaggebende Gründe, um mit einem Mann ins Bett zu gehen: Aus Sehnsucht nach zwischenmenschlicher Nähe, aus echter Zuneigung oder als Zwischenstopp auf der Flucht vor einer unglücklichen Liebe. (Selbstverständlich beliebig untereinander kombinierbar!) Mit eiskalter Berechnung, Selbstbestätigung oder purer Vergnügungssucht hat das im Grundsatz also alles nichts zu tun, und die Frau, die etwas anderes behauptet, bringt vermutlich irgendetwas durcheinander oder lügt sich im Dienste einer vollkommen vermurksten psychodynamischen Abwehrreaktion in die eigene Tasche.
Ob wir uns mit unserer Gefühlsduselei tatsächlich selber im Wege stehen?
In allerletzter Konsequenz wahrscheinlich nicht. Wenn man genauer hinsieht, wirkt nämlich nicht einmal die berechnend-kalte Samantha durchgehend zufrieden in ihrer Rolle und vielleicht ist es ja auch ganz genau dieser Umstand, der sie trotz allem eben doch sympathisch macht…
Fazit: Frau Sein tut manchmal ganz schön weh, aber Selbstverleugnung und Männermorden im Akkord macht das Ganze auf keinen Fall besser. Puh!
Autorin: Mirjam-Magdalena Bohusch
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