Berlin (dts Nachrichtenagentur) – Vertreter von SPD, Linken und Grünen haben sich dafür ausgesprochen, die Chancen für ein rot-rot-grünes Regierungsbündnis auf Bundesebene auszuloten. „Wir haben noch nie so viel Schwung in der Debatte gehabt wie jetzt“, sagte der Linksfraktionsabgeordnete Stefan Liebich dem „Handelsblatt“. Das Plädoyer von SPD-Chef Sigmar Gabriel für ein Mitte-Links-Bündnis habe ihn gefreut.
„Trotz aller Skepsis: Wir sollten ihm beim Wort nehmen.“ Ähnlich äußerte sich der SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe: „Die rot-rot-grüne Option ist längst kein Schreckgespenst mehr“, sagte er dem „Handelsblatt“.
Große Koalition darf nicht zum Regelfall werden
Einen günstigen Moment sieht auch die Grünen-Bundestagsabgeordnete Agnieszka Brugger: „Damit die große Koalition nicht zum Regelfall wird, sollte auch die Option Rot-Rot-Grün ernsthaft diskutiert und geprüft werden“, sagte sie dem „Handelsblatt“. Die Linkspartei hofft, sich mit SPD und Grünen auf einen gemeinsamen Kandidaten für die Gauck-Nachfolge verständigen zu können. „Das wäre natürlich auch ein Signal für die Bundestagswahl“, sagte Liebich.
Als sichtbare Option hätte rot-rot-grün eine Chance
Dass es derzeit für eine rot-rot-grüne Koalition im Bund keine Mehrheit gibt, führt er darauf zurück, dass für die Bürger derzeit Rot-Rot-Grün als Option nicht erkennbar sei. „Es fehlt ein klarer Lager-Wahlkampf“, sagte er. „Schwarz-Gelb gegen Rot-Rot-Grün wäre eine Auseinandersetzung, bei der die Leute sich für klare Alternativen entscheiden können.“ Der SPD-Abgeordnete Schwabe hält, wie er betonte, „alle inhaltlichen Unterschiede für überbrückbar“. Es gehe ja nicht um eine Verschmelzung der Parteien, sondern um „eine pragmatische Zusammenarbeit auf Zeit“, sagte er.
Kann die Linkspartei verlässliche Außenpolitik?
Sicherlich, fügte er mit Blick auf die Linkspartei hinzu, müsse Deutschland in der Außenpolitik ein verlässlicher Partner bleiben. „Aber ein sozialeres Europa, weniger Waffenexporte, Konfliktprävention und mehr humanitäre Hilfe können sicherlich wichtige Akzente sein.“ Die Grüne-Außenpolitikerin Brugger sprach von „einigen großen Differenzen“ zwischen den Parteien. Aber das mache „erst recht den frühen Dialog notwendig“, fügte sie hinzu.
Kommentar:
Wir brauchen eine linke Koalitionsoption. Die Große Koalition als Dauerinstitution führt die Demokratie ad absurdum. Inzwischen scheint alles beliebig. Von AfD und Linkspartei abgesehen unterscheidet sich die realpolitische Ausrichtung der Parteien – ganz im Gegensatz zur Programmatik – nur in Nuancen.
Es muss wieder klare politische Alternativen geben
Ein Richtungsstreit findet nicht mehr statt. Aber genau den braucht es. Die Flüchtlingskrise hat das überdeutlich gezeigt. Die Menschen wollen nicht nur entscheiden, wie wir die Massenzuwanderung steuern, sondern ob wir sie überhaupt zulassen. Und auch, wenn das Ergebnis sich in vielen Fällen nicht vom jetzigen unterscheiden würde, wäre es deutlich besser legitimiert.
Das muss die SPD jetzt tun
Wenn die SPD weiter auf der Stelle tritt, die längst die CDU für sich reklamiert, wird sie in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Bei einer nach links rückenden CDU können die Sozialdemokraten nicht länger auf „ihrer Mitte“ beharren. Mit einem klaren sozialdemokratischen Profil, das insbesondere Lösungen für den angespannten Wohnungsmarkt, die ausufernde prekäre Beschäftigung, die Stärkung der inneren Sicherheit und die anstehenden Integrationsaufgaben bietet, hat die SPD sicher Potential bis 30 Prozent. Dann könnte es für Rot-Rot-Grün reichen. Sonst eher nicht.
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Sebastian Fiebiger
Redaktion