Hamburg – Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe zur Sicherungsverwahrung warnt Stefan Caspari, Richter am Landgericht Marburg und Mitglied des Präsidiums des Deutschen Richterbunds, im Interview mit der NDR-Dokumentationsreihe „45 Min“ davor, die Attestierung einer psychischen Störung nun als Universallösung zum „Wegschließen“ von Schwerverbrechern zu betrachten. Das deutsche Rechtssystem habe keine Definition für den Begriff „psychische Störung“, so Caspari. „Das hauptsächliche Problem, dass wir damit haben werden, ist, dass uns der Gesetzgeber dort eine Begrifflichkeit vorgegeben hat, mit der in der Praxis noch keiner etwas anzufangen weiß. Der Begriff der psychischen Störung ist bislang in der Rechtsprechung und auch im Gesetz völlig unbekannt. Wir wissen lediglich, was es nicht sein soll, nämlich die bisherige psychische Krankheit. Die soll nicht deckungsgleich mit diesem Begriff sein. Was aber tatsächlich hinter der psychischen Störung stecken soll – das überlässt der Gesetzgeber bislang noch den Sachverständigen und den Gerichten, die das dann erst im Einzelfall werden klären müssen.“Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger weist diese Kritik zurück: „Natürlich ist dieses Gesetz für die Richterinnen und Richter jetzt neues Recht und deshalb finden eben auch Fortbildungsveranstaltungen statt, auch gerade mit den Fachleuten hier aus meinem Ministerium. Das war zum Beispiel auch im März in Rheinland-Pfalz der Fall, wo entsprechend das Justizministerium eingeladen hatte. Ich glaube, das ist ganz, ganz wichtig, dass gerade jetzt auch diese neuen gesetzlichen Bestimmungen begleitet werden von einer entsprechenden Fortbildung.“ Das Bundesjustizministerium muss sich mit der Schulung der Richter beeilen, da diese bereits bis Ende des Jahres über mehrere Dutzend strittige Fälle der Sicherungsverwahrung entscheiden sollen. [dts Nachrichtenagentur]
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