Berlin (dts Nachrichtenagentur) – Fachpolitiker und Ärztevertreter haben eine baldige Schließung der Impfzentren in Deutschland angeregt. „Wenn die Impfpriorisierung Ende Mai, Anfang Juni aufgehoben wird, wäre es sinnvoll, das Impfen den Ärzten zu überlassen“, sagte der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag, Erwin Rüddel (CDU), der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Die Experten gehen davon aus, dass die Hausärzte nicht nur schneller impfen können, sondern auch wirtschaftlicher.
„Die kennen ihre Patienten“, sagte Rüddel der FAS. Die niedergelassenen Ärzte könnten dann alle verfügbaren Impfdosen zügig verabreichen. Im Moment bekommen die Impfzentren etwas mehr als zwei Millionen Impfdosen pro Woche von der Bundesregierung. Umgerechnet wären das „rund vierzig Dosen wöchentlich“ pro Hausarztpraxis. „Das kriegen die hin“, sagte der Christdemokrat. Er vertraue auf die „Impfkompetenz der Ärzte“. Sie seien sogar „meistens schneller als die Impfzentren“. Rüddel ist auch überzeugt, dass die Ärzte bei überschüssigen Impfdosen „pragmatischer“ handelten. Ähnliches sagen auch Kassenärztliche Vereinigungen der Länder: In Niedersachsen schlagen sie eine Schließung der Impfzentren schon Ende Juni vor, in Hessen zu einem Zeitpunkt „in wenigen Wochen“. In Bayern sagen sie, die Impfzentren sollten „nach und nach“ schließen, je nachdem, wie die Kommunen vertraglich gebunden sind. Die Impfzentren würden dann nur noch gebraucht, um Zweitimpfungen vorzunehmen. Ein Argument gegen die Impfzentren ist der bürokratische Aufwand. Der Vorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt, ist der Ansicht, dass dieser bei Hausärzten ungleich kleiner sei. Patienten müssen nicht nachweisen, dass sie Vorerkrankungen haben, weil der Arzt sie kennt. Hausärzte müssen auch keine Ausweisdokumente prüfen. „Die Impfzentren hatten sicher ihre Berechtigung. Als der Impfstoff knapp war und wir eine harte Priorisierung brauchten, konnten sie die umsetzen“, sagte Weigeldt der FAS. Nun allerdings habe sich die Lage geändert: Der Impfstoff von Biontech müsse nicht mehr bei minus siebzig Grad gekühlt werden. Deshalb könnten ihn auch Arztpraxen lagern. Zudem sei die Priorisierung heute weniger streng. „Deshalb haben wir schon Anfang März gesagt: Wir stehen bereit, um zu helfen. Es zog sich aber lange hin, bis wir dann auch helfen durften.“ Die Politik sollte nun „auf die bewährten Strukturen setzen“. Die Hausärzte fürchten nur einen zu schnellen Übergang. Weigeldt schlägt einen sanften Wandel vor. „Wir können nicht an einem Tag vierzig Millionen Menschen impfen. Da muss man mit uns drüber reden, wie sich das machen lässt, wie man die Impfungen langsam anlaufen lässt.“ Man könne es auch den Ärzten überlassen, in welcher Reihenfolge sie die Patienten drannehmen. Ein Anfang wäre, die Impfzentren nicht mehr bevorzugt mit Impfstoffen zu beliefern, sondern Ärzte und Zentren gleichrangig zu behandeln. „Wir fordern, dass wir nicht nur den Rest bekommen, den die Impfzentren nicht haben wollen. Und dann erledigt sich das mit den Impfzentren irgendwann auch von selbst“, sagte Weigeldt. Laut einer Umfrage der FAS unter den Landesregierungen werden in Deutschland jeden Monat mindestens 221 Millionen Euro für den Betrieb der Impfzentren ausgegeben. Der Hausärzteverband schätzt, dass eine Impfung in einem Impfzentrum pro Person rund 200 Euro oder mehr kostet, während sie in einer Arztpraxis nur mit zwanzig Euro abgerechnet wird. Es hängt allerdings von den örtlichen Bedingungen ab. Das Frankfurter Zentrum impfte im Februar 38.100 Menschen und veranschlagte dafür Kosten von 2,7 Millionen Euro, umgerechnet also 74 Euro pro Person. Ärzte in Impfzentren erhalten zwischen 100 und 175 Euro pro Stunde. Kommunalpolitiker geben zudem an, mit dem Betrieb der Impfzentren auch Wirtschaftszweige zu unterstützen, die unter der Pandemie besonders leiden, etwa die Messebauer. Die von den Kommunen vergebenen Aufträge werden nachträglich vom Bund und von den Ländern erstattet. Viele Verträge wurden in einer Zeit geschlossen, als Impfzentren alternativlos waren. Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) räumte ein, dass die Impfzentren nie eine kosteneffiziente Lösung waren. „Dass ein Impfzentrum pro Kopf teurer ist als eine Arztpraxis, das ist vollkommen klar. Das war allen immer klar. Sie aufzubauen war aber aufgrund der Komplexität der Impfstoffe notwendig“, sagte er der FAS. Der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, verlangte deshalb, genau zu prüfen, welche Impfzentren noch benötigt werden. „Jetzt nimmt das Impfen in den Arztpraxen Fahrt auf – deshalb muss in den Kommunen geprüft und entschieden werden, inwieweit jedes einzelne Impfzentrum noch notwendig ist. Es darf nicht vergessen werden: In der Impfverordnung ist klar geregelt, dass die Impfzentren wirtschaftlich zu betreiben sind – das umfasst ausdrücklich auch die Dauer des Betriebs“, sagte Holznagel.