Berlin (dts Nachrichtenagentur) – Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) kritisiert den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang, für dessen Äußerungen in einem FAZ-Gastbeitrag zum Selbstverständnis seiner Behörde im Kampf gegen Extremismus. Er moniert ebenfalls in einem Gastbeitrag für die FAZ (Freitagsausgabe), dass „die Einmischung in eine öffentliche Debatte durch den Chef eines Nachrichtendienstes ein merkwürdiger Schritt“ sei.
Wer erkläre, auch der Verfassungsschutz sei dafür zuständig, die Umfragewerte der AfD zu senken, der müsse „sich selbstverständlich Fragen nach seinem Amtsverständnis gefallen lassen“. Gerade das BfV mit weit als 4.000 Mitarbeitern, das kein Verfassungsorgan, sondern einfacher Teil der Exekutive ist, müsse in einem Rechtsstaat über jeden Zweifel erhaben sein.
Haldenwang hatte in seinem Meinungsbeitrag Kritik an seiner Behörde als „Gesinnungspolizei“ oder einem „Regierungsschutz“ zurückgewiesen. Es sei gut, dass in Deutschland Meinungsfreiheit herrsche – aber auch diese habe ihre Grenzen. Die äußersten Grenzen ziehe das Strafrecht. „Jedoch auch unterhalb der strafrechtlichen Grenzen und unbeschadet ihrer Legalität können Meinungsäußerungen verfassungsschutzrechtlich von Belang sein.“
Haldenwang hatte sich auch gegen den Vorwurf gewehrt, seine Behörde sei in den Medien zu präsent. Das Aufklären der Öffentlichkeit über extremistische Bestrebungen und Gefahren für die Demokratie sei Bestandteil des gesetzlichen Auftrags, um schon unterhalb von Verboten eine informierte politische Auseinandersetzung zu ermöglichen.
Kubicki stellte im Blick auf Haldenwangs Gastbeitrag weiter fest, dass „den wohlgesetzten Worten im behördlichen Alltagsgeschäft oft wohl die Grundlage fehlt“. Konkret kritisiert der auch als Anwalt tätige Kubicki den Umgang von Haldenwangs Behörde mit dessen Vorgänger Hans-Georg Maaßen, der nun vom Verfassungsschutz beobachtet wird und dagegen klagt.
Maaßen ist inzwischen Vorsitzender der rechtskonservativen Partei „Werteunion“. Kubicki wies darauf hin, dass das Bundesverfassungsschutzgesetz bei Einzelpersonen eine deutlich höhere Schwelle als bei Parteien für das Einschreiten des Verfassungsschutzes vorsehe. Es sei „mehr als fraglich“, ob Haldenwangs Behörde bei der Einstufung seines ehemaligen Vorgesetzten Maaßen als Rechtsextremist diese gesetzliche Hürde ausreichend beachtet habe. „Denn dem 20-seitigen Dossier, das das BfV angefertigt hat, mangelt es nach meiner Einschätzung an hinreichenden Anhaltspunkten.“
Indem Haldenwang schreibe, seine Behörde schütze die Meinungsfreiheit, nehme er sich selbst in die amtliche Pflicht, auch für den Schutz links- und rechtsradikaler Meinungen einzutreten. „Es wäre konsequent, würde er sich dann auch öffentlich auf die Seite derjenigen stellen, die Extremisten zu vereinnahmen trachten“, schreibt Kubicki.
Er habe damals allerdings seinen öffentlichen Aufschrei nicht wahrgenommen, als auch bürgerliche Maßnahmenkritiker, die sich für eine stärkere Beachtung der Grundrechte eingesetzt haben, in der Corona-Zeit „extrem undifferenziert“ als „Querdenker“ und „Covidioten“ gebrandmarkt worden seien. Stattdessen warne Haldenwang heute vor „Entgrenzungsprozessen“ zwischen Rechtsextremisten und der gesellschaftlichen Mitte und unterstelle sogleich den verfassungsrechtlichen Meinungskorridor wieder der eigenen Definitionsmacht.
Selbstverständlich stimme es, dass autoritäre Staaten das Mittel der „Desinformation“ nutzten, um auch die Bundesrepublik zu destabilisieren. Dies dürfe aber nicht dazu führen, dass sich die Bundesregierung und nachgeordnete Behörden am Ende dazu aufschwingen, für die Menschen im Land „richtig“ und „falsch“ zu definieren, so Kubicki.