Berlin – Führende Ökonomen in Deutschland haben die Politik aufgefordert, Vorbereitungen für einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone zu treffen. „Es ist absolut richtig, einen Plan B zu entwickeln, der den Austritt Griechenlands in möglichst geordneten Bahnen erlaubt“, sagte der Konjunkturchef des Münchner Ifo-Instituts, Kai Carstensen, „Handelsblatt-Online“. „Momentan nämlich tritt das ein, was viele befürchtet haben: die notwendige interne Abwertung durch Lohn- und Preissenkungen ist politisch kaum durchzuhalten.“ Ähnlich äußerte sich der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther.„Ein Land, das seine Verpflichtungen in der Währungsunion, die immer auch eine Solidargemeinschaft ist, nicht einhält, kann auf die Solidarität der anderen nicht mehr rechnen“, sagte Hüther „Handelsblatt-Online“. „Im Zweifel muss Griechenland sein Glück außerhalb der Euro-Zone suchen.“ Das aber werde schwer. „Deshalb ist letztlich auf Besinnung zu hoffen.“ Europa müsse zudem klarmachen, dass es ein Abweichen vom eingeschlagenen Kurs der Haushaltssanierung und vom Fiskalpakt nicht geben könne. „Griechenland bekommt nur dann weitere Gelder der Rettungsfonds, wenn es seine Verpflichtungen einhält“, sagte Hüther und fügte hinzu: „Ansonsten wäre der offene Staatsbankrott unvermeidbar.“ Der renommierte Krisenökonom Max Otte hält es sogar für nötig, dass noch weitere Euro-Staaten die Währungsunion verlassen. „Eine sinnvolle Politik würde weitere Schuldenschnitte in Griechenland vereinbaren, eine Umschuldung in Italien und eine Reorganisation des spanischen Immobiliensektors“, sagte der Wormser Wirtschaftsprofessor „Handelsblatt-Online“. „Zudem sollten Griechenland, Spanien und Portugal aus der Euro-Zone entlassen werden, wie ich seit zwei Jahren fordere.“ Dazu müsse allerdings der Euro-Dauerrettungsschirm ESM in der Lage sein, auch nach dem Ausscheiden aus der Euro-Zone Unterstützungskredite zu gewähren. Harsche Kritik äußerte Otte am Euro-Krisenmanagement der Politik. „Die undemokratisch agierenden Politiker der Euro-Zone ernten jetzt die Saat, die sie gesät haben“, sagte er. „Nahezu fünf Jahre Bankenrettung – und zwar auf dem Rücken der Nord- und Südländer – haben das Maß voll gemacht.“ Eine radikale Sparpolitik ohne ebenso radikale Schuldenschnitte sei verfehlt, sagte Otte. Selbst im besten Fall hätte Griechenland nach dem Schuldenschnitt vom letzten Jahr noch lange über 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts Schulden. „So können Griechenland und der Süden nicht auf die Beine kommen. Sie werden derzeit gezwungen, sich noch weiter in die Misere hineinzusparen“, kritisierte der Ökonom. „Das merken die Menschen in Griechenland und den anderen Krisenstaaten, und sie lehnen sich dagegen auf. Zu Recht.“ [dts Nachrichtenagentur]
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