Foto: Wähler in einem Wahllokal, über dts Nachrichtenagentur
Berlin (dts Nachrichtenagentur) – In der Debatte um die Wahlrechtsreform hat die SPD zwei Gutachten von Staatsrechtlern vorgelegt, die die Einführung einer Mandatsobergrenze als verfassungskonform bewerten. „Die vorgeschlagene Neuregelung stellt den Grundsatz der Wahlgleichheit und den der Chancengleichheit der Parteien nicht infrage“, schreibt der Berliner Rechtsprofessor Ulrich Battis in einem Gutachten, über das die Zeitungen des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“ berichten. „Es geht nicht darum, wie in früheren Zeiten einen missliebigen Kandidaten par ordre du mufti vom Einzug ins Parlament auszuschließen und auch nicht darum, das Wahlergebnis eines Wahlkreises zu eliminieren, sondern es geht um die Sicherung der Arbeitsfähigkeit des Bundestages nach den unangetasteten Regeln der proportionalen Verteilung.“
Zu einem ähnlichen Schluss kommt die Düsseldorfer Rechtsprofessorin Sophie Schönberger in einem zweiten Gutachten, über das die Zeitungen des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“ weiter berichten. Die Wahlgleichheit erfordere lediglich, dass alle Bürger ihr Wahlrecht in formal gleicher Weise ausüben könnten und die Stimme eines jeden Wahlberechtigten grundsätzlich den gleichen Zählwert und die gleiche rechtliche Erfolgschance haben müsse, so Schönberger. Diese Anforderungen erfülle das von der SPD vorgeschlagene Kappungsmodell „ohne Weiteres“. In der seit Jahren andauernden Diskussion um eine Reform des Wahlrechts, mit der eine weitere Vergrößerung des Bundestags verhindert werden soll, hat die SPD-Fraktion vorgeschlagen, übergangsweise eine Mandatsobergrenze von 690 Sitzen einzuführen. Überhangmandate jenseits dieser Grenze sollen gekappt werden, die Mandate der Wahlkreissieger mit den geringsten prozentualen Stimmergebnissen würden nicht mehr zugeteilt. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte dieses Modell in einem Schreiben an CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt als verfassungswidrig kritisiert und sich dabei auf die „fachliche Einschätzung“ seines Ministeriums berufen. Eine Nichtzuteilung von gewonnenen Direktmandaten verletzte den Grundsatz der Gleichheit der Wahl, denn in einem betroffenen Wahlkreis wäre der Erfolgswert der Stimmen nicht nur geringer, sondern „gleich Null“, hatte Seehofer argumentiert. Battis und Schönberger widersprechen dieser Einschätzung deutlich. „Das bestehende Mischsystem wird als solches durch eine weitere Modifikation nicht infrage gestellt, im Gegenteil, das System trägt der neueren Entwicklung des Wahlverhaltens in der Weise Rechnung, dass die Funktionsfähigkeit des Bundestages gewährleistet wird“, heißt es in dem Gutachten von Battis. „Der Vorwurf der systemwidrigen Modifikation geht fehl.“ Schönberger schreibt unterdessen: „Die Einschätzung, ein entsprechendes Kappungsmodell würde mit zentralen Prinzipien der personalisierten Verhältniswahl brechen, ist vor allen Dingen ein politisches Argument, das sich gegen Strukturänderungen am Wahlrecht richtet.“ Und weiter: „Tatsächlich wäre eine entsprechende Wahlrechtsreform in verfassungsrechtlicher Hinsicht in keiner Weise zu beanstanden.“