Berlin (dts Nachrichtenagentur) – Der Enthüllungsjournalist Günter Wallraff hat lange unter Albträumen gelitten. Ein befreundeter Psychiater habe diese auf „frühkindliche Traumata“ zurückgeführt, sagte Wallraff dem „Zeitmagazin“. Für ihn sei das eine plausible Erklärung gewesen.
„Meine Mutter litt nach meiner Geburt unter Kindbettfieber und lag monatelang im Koma. Als sie daraus erwachte, erkannte sie mich nicht wieder. Sie dachte, ich wäre im Krankenhaus vertauscht worden.“ Einige Jahre später habe sie ihn dann „aus wirtschaftlicher Not“ in ein Kinderheim gebracht. Der Schriftsteller erinnert sich noch genau: „Die Szene habe ich bis heute wie in einem Film vor Augen. Ich betrete das Heim an der Hand meiner Mutter, dann ist sie plötzlich verschwunden. Die Nonnen nehmen mir meine Kleidung ab und stecken mich in Anstaltskleider; es fühlte sich an, als würde mir meine Identität genommen.“ Mehr als ein halbes Jahr sei er in dem Heim geblieben. „Als Jugendlicher war ich schüchtern, introvertiert und unsicher“, so Wallraff. „Da gab es mich kaum.“ Er sei „ein schlechter Schüler“ gewesen, „in die Schule zu gehen war oft eine Qual für mich“. Erst durch seine spätere Arbeit als investigativer Reporter, so Wallraff, habe er dann seinen „Platz in der Gesellschaft gefunden“.