Berlin (dts Nachrichtenagentur) – Ein neues Gutachten nährt Zweifel an der Allein-Täterschaft von Anis Amri beim Weihnachtsmarkt-Anschlag auf dem Breitscheidplatz. Die Untersuchung des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsklinik Schleswig-Holstein, über welche das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Montagsausgaben) berichtet, wurde vom Untersuchungsausschuss des Bundestages in Auftrag gegeben und ging dem Gremium in der vorigen Woche zu. Das Papier analysiert unter anderem die DNA-Spurenlage an der Pistole, mit der Amri einen polnischen Lkw-Fahrer erschossen haben soll, und die Spurenlage in der Fahrerkabine des Lkw.
Mit Blick auf die Pistole heißt es, dass nicht sicher festgestellt werden könne, „dass die bei Amri sichergestellte Waffe auch die Tatwaffe war“. Das Projektil und das nach dem Schuss übrig gebliebene Projektilfragment, die bei der Obduktion des Fahrers aus dessen Schädel gesichert worden waren, „waren zu deformiert, um eine ballistische Zuordnung zur oben genannten Waffe zu ermöglichen“. Mit Blick auf die Fahrerkabine heißt es, es sei „nicht ableitbar, dass eine bestimmte Person (zum Beispiel Amri) den Lkw gefahren (…) oder sich lediglich als Beifahrer in der Führerkabine aufgehalten hat“. Dafür habe eine unbekannte zweite Person, die im Gutachten als „UP2“ bezeichnet wird, „in vergleichbarem Ausmaß DNA-Spuren im Lkw-Führerhaus hinterlassen wie Amri“. Es sei daher „grundsätzlich nicht auszuschließen bzw. verglichen mit Amri nicht weniger oder mehr plausibel, dass UP2 den Lkw gefahren haben kann“. Generell sei ein anderer Ablauf des Attentats als der in der Öffentlichkeit angenommene aufgrund der DNA-Spuren „nicht ausschließbar“. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Irene Mihalic sagte dem RND: „Es kann so gewesen sein, wie das Bundeskriminalamt sagt.“ Es geht von einer Allein-Täterschaft Amris aus. „Es kann aber auch anders gewesen sein. Es könnte sein, dass noch weitere Leute mitgemischt haben, ohne dass man das eingehend untersucht hat. Das ist der Punkt.“ Ihr Fraktionskollege Konstantin von Notz, der wie Mihalic im Untersuchungsausschuss engagiert ist, sagte unterdessen dem RND: „Wahrscheinlich saß Anis Amri im Lkw. Aber wir bezweifeln zumindest, dass er der Fahrer war.“ Denn der Tunesier habe sich zu dem Zeitpunkt immerhin schon eineinhalb Jahre in Deutschland aufgehalten, ohne in der Zeit je Lkw gefahren zu sein. Davor habe er vier Jahre in Italien im Gefängnis gesessen. In Tunesien solle Amri zwar einmal mit einem 7,5-Tonner unterwegs gewesen sein. Trotzdem erstaune, wie er am Tattag einfach so einen 40-Tonner übernommen haben könne. „Wir finden deshalb, dass man die Frage aufwerfen sollte, wer die UP2 eigentlich ist“, sagte der Grünen-Politiker. „Das ist eine relevante Frage.“ Ohnehin habe sich Amri in Deutschland vielfach in islamistischen Gruppen bewegt. Auch das lege den Schluss nahe, dass er am 19. Dezember 2016 womöglich nicht allein gewesen sei.