Foto: Adolf Hitler, über dts Nachrichtenagentur
Aberdeen (dts Nachrichtenagentur) – Der Holocaust-Forscher und Hitler-Biograf Thomas Weber fordert von Historikern, mehr über die Gründe und Prozesse der Radikalisierung Adolf Hitlers zu forschen. „Wir haben aus Hitlers Heldengeschichte ein Trauerspiel gemacht, aber die Handlung beibehalten“, sagte der Professor für Geschichte und internationale Beziehungen an der Universität Aberdeen dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Montagsausgaben). „Dadurch schauen wir auch heute noch nach den falschen Warnsignalen für die neuen Hitlers in unserer Welt.“
Weber („Wie Adolf Hitler zum Nazi wurde“) veröffentlicht am Montag, dem 75. Jahrestag der Befreiung des früheren Konzentrationslagers Auschwitz durch sowjetische Soldaten, im wissenschaftlichen „Journal of Holocaust Research“ einen Artikel, der sich mit bislang unbeachteten Aussagen der Tochter einer Familie beschäftigt, bei der Hitler vor dem Ersten Weltkrieg in München wohnte. Weber legt darin nahe, dass sich Hitler schon sehr viel früher als bislang vermutet radikalisierte und durch private Enttäuschungen oder Traumatisierungen bereits vor dem Ersten Weltkrieg einen glühenden Antisemitismus entwickelt hatte. Weber warnt davor, diese Zeugnisse als Banalitäten abzutun. „Viele Historiker in Deutschland, nicht aber zum Beispiel in Israel, haben die eigenartige Sorge, dass, wenn man sich mit Hitler beschäftigt, die Gefahr besteht, dass wie in den 50er Jahren wieder alles Hitler in die Schuhe geschoben wird“, sagte der Aberdeener Historiker. „Dadurch sitzen wir bis heute eigentlich noch mehr oder minder der Geschichte auf, die Hitler selbst über seine Genese und politische Evolution erfunden hat“, kritisiert Weber.