Foto: Bundesvorsitzender Bündins90/Die Grünen Cem Özdemir, dts Nachrichtenagentur
Hamburg (dts Nachrichtenagentur) – Cem Özdemir, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, stellt vor der Mitgliederversammlung der Hamburger GAL am Sonntag zur Entscheidung über eine Fortsetzung der schwarz-grünen Koalition in Hamburg die Bedingung einer klaren Mehrheit. Özdemir sagte im Interview mit der Tageszeitung „Die Welt“ (Freitagausgabe), wenn die GAL-Mitglieder „mit breiter Mehrheit für die Fortsetzung der Koalition stimmen, haben sie unsere Unterstützung. Auf die breite Mehrheit legen wir großen Wert: Koalitionsfragen, zumal wenn sie nicht ganz einfach sind, löst man nicht mit 51 gegen 49 Prozent.“Ein Platzen der Koalition schloss Özdemir dabei nicht aus: „Wenn sich die CDU vom Koalitionsvertrag abwendet und uns zwingt, aus inhaltlichen Gründen das Bündnis zu verlassen, dann müssen wir dies tun, auch später noch, wenn wir am Sonntag zustimmen sollten.“ Zugleich aber zeigte sich Özdemir zufrieden über die Vorstellung des designierten Ersten Bürgermeisters Christoph Ahlhaus (CDU) bei der GAL am Mittwoch. Bei dem Treffen sei es „sehr lehrreich und produktiv“ zugegangen. „Vielleicht waren die Erwartungen an die Strahlkraft von Herrn Ahlhaus verglichen mit Ole von Beust nicht sehr hoch, aber Christoph Ahlhaus hat jedenfalls die Gelegenheit genutzt, um klar zu Themen Stellung zu beziehen, die unseren Leuten wichtig sind. Dazu gehören die Vorbereitungen dafür, dass Hamburg 2011 Umwelthauptstadt Europas wird – womit sich die SPD an der Elbe sehr schwertut -, weiterhin die Bildungsreformen, die abgesehen von der beim Volksentscheid abgelehnten Primarschule weitergeführt werden sollen und im Haushalt finanziert werden müssen, zudem das Thema des bezahlbaren Wohnraums und sozialen Wohnungsbaus. Pragmatisch hat sich Herr Ahlhaus in der Innenpolitik sowie bei der Rekommunalisierung der Energieversorgungsnetze gezeigt, wo er offenbar kein Privatisierungsfetischist ist“, sagte Özdemir. Was Ahlhaus der GAL präsentiert habe, sei „inhaltlich ein gutes Angebot, mit dem man arbeiten kann.“ Trotz guter Umfragewerte für die Grünen, die Koalitionen mit der SPD in vielen Ländern denkbar erscheinen lassen, will sich Özdemir nicht einseitig auf die Sozialdemokraten festlegen. Zwar gebe es zu der Union in vielen Punkten Differenzen, „aber auch bei der SPD fallen mir ein paar Punkte ein, wo es nicht einfach ist. So begeistert sich die SPD in Baden-Württemberg genauso sehr wie die CDU für das Irrsinnsgroßprojekt Stuttgart 21, und bei der Atomenergie der SPD, den Kohlekraftwerken, sind wir bekanntermaßen auch anderer Ansicht. Egal also mit wem wir uns zusammenschließen, einfach ist es nie. Je stärker wir werden, umso mehr können wir unsere Positionen durchsetzen“, sagte Özdemir und fügte mit Blick auf die Umfragen hinzu: „Auf die beziehe ich mich nicht. Ich bezeichne uns auch nicht als Volkspartei. Schließlich sind wir in drei Landtagen noch gar nicht vertreten. Vor allem müssen wir es erst einmal schaffen, jene, die sich eine Wahl der Grünen vorstellen könnten – nichts anderes zeigen ja Umfragen -, tatsächlich zum Wählen der Grünen zu bewegen.“ In der Bildungspolitik wollen die Grünen laut Özdemir künftig die Fehler von Hamburg vermeiden. „Sie können davon ausgehen, dass wir über den Ausgang des Volksentscheids sehr offen und selbstkritisch diskutiert haben und weiter diskutieren“, sagte Özdemir. „Ein zentraler Punkt ist, dass in der grünen Bildungspolitik die Frage des längeren gemeinsamen Lernens nicht die Achillesferse solcher Reformen sein darf, sondern ein wichtiger Baustein neben anderen sein muss. Diese weiteren Bausteine sind etwa individualisiertes Lernen, frühkindliche Förderung, echte Ganztagsschulen, Lehrerfortbildung, Intensivierung der Elternarbeit. Man sieht ja auch schon in NRW, dass dort die Grünen zusammen mit der SPD einen anderen Ansatz gewählt haben.“ Özdemir wandte sich dabei gegen Forderungen, Schulstrukturen bundeseinheitlich zu regeln. „Selbst ich, der das Kooperationsverbot im Bildungsbereich abschaffen will, sage: Der Bund muss nicht über die Schulformen entscheiden. Der Bund soll die Länder finanziell unterstützen dürfen und Bildungsstandards festlegen, die man am Ende der jeweiligen Schulstufen erreicht haben muss.“