Berlin (dts Nachrichtenagentur) – Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) warnt vor massiven Aufschlägen auf die Abwassergebühren in Deutschland durch den zunehmenden Aufwand für die Reinigung des Abwassers von Medikamentenrückständen. Das geht aus einer BDEW-Studie hervor, über die die Zeitungen des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“ in ihren Freitagausgaben berichten. Demnach wird allein die Beseitigung der Rückstände des Schmerzmittels Diclofenac in den nächsten 30 Jahren Kosten in Höhe von gut 5,8 Milliarden Euro verursachen.
Diese müssten nach geltendem Recht auf die Verbraucher umgelegt werden. „Arzneimittelrückstände sind heute schon ein Problem für die Gewässer. Und künftig könnte die Belastung noch deutlich zunehmen“, sagte Martin Weyand, BDEW-Hauptgeschäftsführer für Wasser und Abwasser dem RND. Die Überalterung der Gesellschaft und ein steigender Pro-Kopf-Bedarf könnten zu einem Anstieg des Gesamtverbrauchs an Medikamenten um bis zu 70 Prozent bis zum Jahr 2045 führen, so Weyand weiter. „Die Folge sind massive Kostenbelastungen durch die Einführung zusätzlicher Reinigungsstufen für Kläranlagen“, sagte er. Für die BDEW-Studie wurden anhand eines Untersuchungsgebiets in NRW die sogenannten Spurenstoffe untersucht, die aus den Kläranlagen in Flüsse und Bäche gelangen. Diese Stoffe werden Ewigkeitschemikalien genannt, weil sie sich nicht zersetzen, aber in Pflanzen, Tieren und Menschen anreichern. Laut der Studie trägt das Schmerzmittel Ibuprophen die größte Schadstofflast. Diclofenac kommt bald dahinter – 70 Prozent dieses Wirkstoffs verlassen den menschlichen Körper unverändert über den Urin. Beide Arzneimittel zusammen machten gut die Hälfte aller gefährlichen Spurenstoffe aus. Diclofenac schädigt Vögel und Fische, Ibuprofen hemmt das Pflanzenwachstum. Die Spurenstoffe lassen sich zwar in Kläranlagen herausfiltern, was aber bislang nur in Pilotprojekten geschieht. Eine bundesweite Umrüstung aller Kläranlagen würde laut Studie jährlichen Zusatzkosten von 1,2 Milliarden Euro verursachen. Würde diese Summe nach den derzeit geltenden gesetzlichen Bestimmungen auf die Abwassergebühren umgelegt, könnten auf die privaten Haushalte Aufschläge von bis zu 20 Prozent zukommen, so der BDEW. Um Preissteigerungen in dieser Größenordnung zu verhindern, fordert der Verband eine finanzielle Beteiligung der Pharmafirmen. Die Hersteller von Arzneimitteln und anderer Spurenstoffe, die ins Abwasser gelangen, sollen „verursachergerecht an der Finanzierung von Reinigungsleistungen“ beteiligt werden, fordert der Verband, und schlägt Zahlungen in einen Fonds vor. Das Fondsmodell sei eine „ökologisch und ökonomisch effiziente Lösung“, sagte BDEW- Geschäftsführer Weyand dem RND. Sie biete den Herstellern Anreize Einträge zu vermeiden oder Innovationen voran zu bringen, um die Umweltbelastungen zu verringern. Nur wenn die Hersteller zahlen müssen, „schaffen wir wirksame Anreize zur Verminderung von Einträgen“.