München – EnBW-Chef Hans-Peter Villis warnt angesichts des Atommoratoriums in Deutschland vor akuten Engpässen im Stromnetz. „Erstmals seit Jahrzehnten wird Deutschland ernste Probleme mit der Sicherheit der Stromversorgung bekommen“, sagt der 52-Jährige im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“. Neben den ohnehin für drei Monate stillgelegten sieben älteren Kernkraftwerken gingen im Mai und Juni fünf weitere für Revisionen vom Netz.
„Dann werden zeitweise nur 30 Prozent der Atomkapazitäten zur Verfügung stehen.“ Es stehe nicht weniger als die Versorgungssicherheit für Menschen und Betriebe auf dem Spiel. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel am Freitag mit den Ministerpräsidenten der Länder über einen konkreten Zeitplan für den beschleunigten Atomausstieg beriet, fordert Villis ein Festhalten an der Atomkraft: „Für einige Jahre ist sie in Deutschland einfach unverzichtbar.“
Wirtschaft und Verbraucher könne ein rasanter Ausstieg hart treffen. „Wir importieren jetzt Kernenergie aus Frankreich und Tschechien. Wir schalten ab und zahlen.“ Während Atomkonzerne außerhalb Deutschlands davon profitierten, litten Verbraucher und hiesige Unternehmen. Die Großhandelspreise seien nach dem Aus für die ersten Atomkraftwerke in Deutschland schon um 20 Prozent gestiegen. Der EnBW-Chef deutet zudem an, dass die Atombranche im Falle eines beschleunigten Ausstiegs die juristische Konfrontation mit der Bundesregierung suchen könnte. Werde der Konzern zum endgültigen Aus für das Kernkraftwerk Philippsburg 1 gezwungen, könne er eine Klage nicht ausschließen, so Villis.
„Ich bin als Chef von EnBW verpflichtet, das Vermögen der Gesellschaft zu schützen“, sagte er. Der Konzern hatte sich nach der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima bereit erklärt, sein AKW Neckarwestheim 1 dauerhaft vom Netz zu nehmen. Eine Klage gegen das Moratorium schloss EnBW bisher aus. Schon jetzt hat die Atomwende der Politik für den Konzern laut Villis gravierende Konsequenzen. Brennstoffsteuer und Marktrisiken ließen den Gewinn in diesem Jahr um zehn bis 15 Prozent sinken.
„Wir werden Verkäufe von Minderheitsbeteiligungen prüfen“, kündigte der EnBW-Chef an. „Da ist einiges drin – ein Volumen von 1,8 Milliarden in den nächsten drei Jahren.“ Daneben müsse sich EnBW neue Geschäftsmodelle überlegen und zum Beispiel selbst zum Entwickler von Windparks werden. Dafür habe der Konzern in Hamburg ein Team mit 50 Beschäftigten für Großprojekte aufgebaut. [dts Nachrichtenagentur]