
Foto: andreonegin | Bigstock
Eine Kolumne von Karin Seven
Wie sieht es aus, das neue Gewand? Wie neu ist es überhaupt oder wie alt? Überraschung? Wir öffnen die Schachtel und sehen weder Minirock noch zwangsläufig Anzug, frau wirkt weder gediegen, altbacken noch aggressiv und laut.
Das neue Gewand der Frau ist nicht mehr Abklatsch der Männerdomäne. Kleidungs-, Lebens- und Führungsstil haben sich geändert, resultierend aus einer neuen selbstbewussten inneren Haltung. Das neue Gewand heißt weibliches Selbstverständnis. Eine Entwicklung, die sich seit ca. ein-zwei Jahren in Politik, auf Führungsebene sowie in vielen anderen Lebensbereichen deutlich beobachten lässt. Und letztendlich, ihren Ursprung in der Antike findet.
Gewaltlose Konfliktstrategie
Weniger weit zurück im 19. und 20. Jahrhundert waren es hauptsächlich die Frauen, die sich im Kampf gegen ungerechte Gesetze mit alternativen und friedlichen Methoden wehrten. Bei ihrem Einsatz um Frauenwahlrecht und Maßnahmen zur kontrollierten Familienplanung, traten sie in Hungerstreik oder ließen sich eher ins Gefängnis werfen, als dass sie ihre Ziele mit Gewalt oder Androhung von Gewalt durchgesetzt hätten. Gewaltlose Konfliktstrategie als Mittel zur Durchsetzung gesellschaftlicher Veränderungen ist eine weibliche Kompetenz. Aber auch Männer wie Jesus, Ghandi und Martin Luther King haben sich ihrer bedient. Ansätze und Wurzeln dieses Gedankengutes finden wir auch bereits in der Antike bei Sokrates.
Was zeigt, dass wir alle einen Mix aus beiden Qualitäten, männlicher Kraft, Aggressivität, Jagdinstinkt und weibliche Weichheit, Friedfertigkeit, Liebe , Empathie und Kommunikationskompetenz, in uns vereinen. Die transformative Energie von Wahrheit, Friede und Liebe ist eine menschliche Urquelle, mit der sich seit jeher Konflikte umwandeln lassen.
Leider nur schöpfte Mann in den vergangenen Jahrhunderten / Jahrtausenden der patriarchalen Zeit zu wenig aus dieser Quelle, um so mehr aus dem gewaltsamen, zerstörerischen Topf.
Frauen müssen sich nicht mit Männern vergleichen
Aber zurück zur modernen Frau. Frauen treten mit neuem Selbstbewusstsein an. Erfolg geht weiblich, wir „müssen“ nicht mehr „manipulativ“ sexy sein oder gar männlich. Frauen müssen sich nicht mehr mit Männern vergleichen. Frauen dürfen ihre Weiblichkeit, ihr „Anderssein“ leben. Mit Mut zum Unterschied.
Frau ist heute stark in ihrer ursprünglichen und individuellen Weiblichkeit. Die Übergangsphase von „Sexy Hexi“ oder „Muttchen“ ist genauso vorbei wie die Rolle „der verkleidete Mann“. Dieses Gewand hat frau nun endlich abgestreift. Gut so! Denn diese aufgespielten Programme waren eh weit weg, von dem was wirkliche Weiblichkeit ausmacht.
Achtsamkeit, Umgang mit Emotionalität sowie ein ganzheitliches, ein weicheres, umsichtigeres Denken ist gerade dabei, mehr und mehr in den Vordergrund zu rücken. Die alten Machtstrukturen der Männerwelt, die leider einige Frauen in der Übergangsphase übernommen hatten, in ihrer Verunsicherung sich beweisen zu müssen, sind weder en vogue noch tragbar.
Ohne verbissene Unterkiefer und Machtgedöns
Entfesselung von Herz- und Seelenenergie, empathisch und weich sein dürfen – es geht auch ohne verbissene Unterkiefer und Machtgedöns, das ist die Zukunft. Selbstbewusste Weiblichkeit führt mit Herz und Intuition. Weibliche Intelligenz ist gefragt und eine Chance für den dringend nötigen Change in Politik, Gesellschaft und im grundsätzlichen Denken und Agieren, denn wir stecken in der Krise, mit allem! Wirtschaftlich, politisch, umwelttechnisch, menschlich.
Ein holistisches, gemeinschaftliches, Synergien schaffendes Denken, Fühlen und Handel muss her. Vielleicht könnten wir so den erhofften Transfer schaffen in eine bessere Welt. Aber erst mal müssen Mütter und Väter, wir alle, die Erde retten, sonst brauchen wir uns gar keine Gedanken mehr machen, ob Matriarchat oder Patriarchat, so der schwedische Resilienzforscher Johan Rockström, der uns nur mehr zehn Jahre bis zum letzten menschlichen Schauspiel gibt. Ein schneller Wandel ist von Nöten.
Er naht. Selbst in den Firmen, in denen ich Seminare anbiete, sehe ich, dass ein Wandel der Seminarangebote sich durchgesetzt hat, achtsames Führen und emotionale Intelligenz stehen verstärkt auf dem Programm. Nicht zuletzt, weil wir gemerkt haben, dass der bisherige Lebens- und Führungsstil uns nicht nur jegliche Lust stiehlt, sondern auch unser kostbarstes Gut unsere Lebenskraft und Schöpferkraft, sprich Kreativität. Lebenskraft braucht Pausen. Kreativität braucht Muße, das wussten schon die alten Griechen.
Wir haben uns selbst überholt
Es wird Zeit, dass wir endlich vom Schnellzug runterspringen, der da heißt: schneller-besser-weiter. Leistung-Leistung-Leistung. Wir haben uns selbst überholt, unsere Herzen, unsere Gesundheit sind auf der Strecke geblieben sowie unsere Verbindung zu uns selbst und diesem wunderbaren Planeten.
Endlich kommt ein neues Verständnis zur Klimapolitik. Entschlossen formuliert von einer jungen Frau. Greta, die in Klarheit und Emotionalität fordert, was hätte schon längst umgesetzt werden müssen und was Greenpeace schon seit mehr als 25 Jahren fordert: ein viel näheres und eindringlicheres Verhältnis zur Natur, zu Erde und zum Klima.
Aber der alte Kleister heftet noch gewaltig an, verklebt bei einigen noch die Sicht auf neues. Wahrnehmung und, die daraus resultierende Wirklichkeit ist individuell, deshalb nehmen einige die Veränderung noch nicht so deutlich wahr. Aber sie kommt…die Veränderung – so auch die neue Frau… vielleicht gewöhnungsbedürftig, wie jede Veränderung, aber notwendig! Lange genug klebte der Kleister der Werte des Patriarchats.
Alleine schon deshalb ist es wichtig, dass Frau nicht die feminine Form des Patriarchats weiterspielt.
Was wird sich konkret ändern?
Kommunikation, Empathie und Beziehungskompetenz wird in den Vordergrund rücken, eine Verknüpfung zwischen Business und Menschlichkeit. Die neue Weiblichkeit heißt Mutter Erde, Mutter der Menschen und der Liebe, des Friedens!
Lange genug ging es um Kriege, Gewinner, Verlierer und Ausbeutung…
Die männliche Vergangenheit hat eine Welt geschaffen, die sich sehr gut auf Kampfschauplätzen, Aktienmärkten und in der Technik auskennt. Aber auch Bereiche wie Gesundheit, physische wie psychische, Familie, organische Produktivität, Naturverbundenheit, Naturschutz und Tierwohl sind essentiell wichtig.
Mit ganzheitlichem Blick sehen wir, dass nicht Masse zählt, sondern Qualität. Die Gier schafft Überproduktion, die in letztem Schritt mit Vernichtung und Zerstörung ihrer selbst und zuletzt unseres selbst einhergeht. Machtausübung zeugt häufig auf Gier oder Ohnmacht und dient in letzterem Falle der Kontrolle. Kontrolle wiederum entspringt dem Gefühl von Kontrollverlust und einer Abwesenheit von wahrer Sicherheit, Selbstsicherheit und Liebe.
Das Ende der blutigen Irrfahrt?
In der Antike finden sich viele Epochen, in denen Frauen bewiesen haben, dass es auch ohne Krieg und Zerstörung geht.
In den Kunstfunden des Neolithikums (Jungsteinzeit 5000-2000 vor Christus), wie auch in der Geschichte Kretas, gibt es eindeutige Hinweise, die über starke und selbstbewusste Frauen Aufschluss geben. Sehr spannend dazu das Buch von Riane Eisler: Kelch und Schwert, erschienen im Arbor Verlag.
In Untersuchungen und Recherchen von McClellands, kann man lesen, dass die weiblicheren und weicheren Werte ein Teil einer bestimmten sozialen und ideologischen Konfiguration sind, in der das schöpferische Moment, eine weitaus wichtigere Rolle spielt als das zerstörerische und somit ein partnerschaftlich orientiertes Gesellschaftssystem ermöglicht wird.
So bleibt die Hoffnung, dass wir alle nach langer blutiger Irrfahrt durch die androkratische Geschichte endlich herausfinden, was es bedeutet Mensch zu sein. Vom Homo Sapiens zu Homo Amor.
Wenn wir Frauen uns als Liebesgöttinen verstehen und Kommunikation und Aktion aus dieser Rolle heraus leben, dann wird sich unser aller Leben ändern. Wir alle erscheinen dann in neuem Gewand.