Zur bedeutendsten Frauenrechtlerin Deutschlands in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelte sich ab den 1970-er Jahren die Journalistin, Schriftstellerin und Verlegerin Alice Schwarzer. Engagiert und sachlich focht sie in Zeitungen, Zeitschriften, Büchern und im Fernsehen für die Gleichberechtigung der Frauen. 1977 gründete sie die Zeitschrift von Frauen für Frauen mit dem Titel Emma.
Alice Sophie Schwarzer kam am 3. Dezember 1942 als ledige Tochter einer Verkäuferin in Wuppertal-Elberfeld zur Welt. Sie wuchs bei ihren Großeltern auf, die eine kleine Tabakwarenhandlung in Wuppertal-Elberfeld betrieben, in der auch ihre Mutter aushalf. Der sanfte, lustige und fürsorgliche Großvater fungierte als Vormund für die Enkelin. Als Kind hatte Alice mit Puppen wenig am Hut, sie spielte lieber Räuber und Gendarm.
Nach dem Verlassen der Volksschule besuchte Alice von 1957 bis 1959 die Handelsschule in Wuppertal-Elberfeld und machte die mittlere Reife. Sie galt als begabt, aber faul und machte, weil sie niemand dazu anhielt, keine Hausaufgaben. 1959 begann sie eine kaufmännische Lehre bei einer Autohandlung in Wuppertal. Dabei ärgerte sie sich als Lehrling sehr darüber, dass der Juniorchef sie duzte. 1960 arbeitete sie in Düsseldorf als Sekretärin und danach in München in einem Verlag, in dem sie Büroarbeiten erledigte.
Als Teenager schwärmte Alice Schwarzer für den RocknRoll-König Elvis Presley (19351977), die Filmschauspielerin Marilyn Monroe (19261962, und den Filmstar O. W. Fischer. Sie besuchte das Privat-Tanzinstitut City in Wuppertal und blieb bis zu ihrem 19. Geburtstag eine eiserne Jungfrau.
Weil sie sich zu Höherem berufen fühlte, ohne genau zu wissen, was dies einmal sein sollte, zog die 21-jährige Alice Schwarzer nach Paris. 1964/1965 studierte sie Sprachen an der Alliance Française und an der Sorbonne. Das Sprachenstudium finanzierte sie durch Gelegenheitsarbeiten. In Paris lernte sie mit 22 einen Jurastudenten mit dem Vornamen Bruno kennen, der sie vergötterte und umsorgte.
1966 kehrte Alice Schwarzer nach Deutschland zurück, wo sie bei der Aufnahmeprüfung zur Journalistenschule durchfiel. Von 1966 bis 1968 absolvierte sie ein Volontariat bei der Tageszeitung Düsseldorfer Nachrichten. 1969 war sie Reporterin bei der Zeitschrift Pardon in Frankfurt am Main. 1970 ging sie erneut nach Paris, studierte von da ab ohne Abitur bis 1974 Psychologie und Soziologie an der Antiautoritären Universität Vincennes und arbeitete in derselben Zeit als freie Korrespondentin für Funk, Fernsehen und Presse.
Ab 1970 engagierte sich Alice Schwarzer in der Pariser Frauenbewegung. In jenem Jahr lernte sie in Paris die französische Schriftstellerin Simone de Beauvoir (19081986) kennen. Die bedeutendste Theoretikerin der neuen Frauenbewegung wurde ihr Vorbild und Ideal. Bald gehörte Alice zum harten Kern des Mouvement de libération des femmes (MLF), in dem verschiedene französische feministische Gruppen zusammengefasst sind.
Nach dem Vorbild französischer Frauen initiierte Alice Schwarzer im Hamburger Magazin Stern den Artikel Ich habe abgetrieben vom 6. Juni 1971, in dem sich 374 Frauen der Abtreibung bezichtigten. Dieser Beitrag löste nach ihrer Ansicht die neue Frauenbewegung in der Bundesrepublik Deutschland aus und führte zu einer Bewegung gegen den § 218.
Ab den frühen 1970-er Jahren erregte Alice Schwarzer immer wieder als Buchautorin starkes Aufsehen. Von ihr stammen die Titel Frauen gegen den § 218 (1971), Frauenarbeit Frauenbefreiung (1973), Der kleine Unterschied und seine Folgen (1975), So fing es an 10 Jahre neue Frauenbewegung (1981), Mit Leidenschaft (1982), Simone de Beauvoir heute Gespräche aus 10 Jahren (1982), Warum gerade sie? Weibliche Rebellen (1982), 16 Begegnungen mit berühmten Frauen (1989), Von Liebe + Haß (1991), Eine tödliche Liebe (1993), Die rote Gräfin (1996), So sehe ich das (1997) und Der große Unterschied (2000).
Als 32-Jährige kehrte Alice Schwarzer aus Frankreich nach Deutschland zurück. 1974/1975 lehrte sie an der Universität Münster, Fachbereich Soziologie.
1974 löste Alice Schwarzer mit einer Fernsehsendung des Magazins Panorama über Ärzte, die bereit waren, mit der Absaugmethode abzutreiben, in der Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands (ARD) einen Zensurskandal aus. 1975 kam erstmals der von Alice Schwarzer und Ursula Scheu initiierte Frauenkalender auf den Markt.
Im Januar 1977 erschien die von Alice Schwarzer herausgegebene Zeitschrift von Frauen für Frauen mit dem Titel Emma, die eine Startauflage von 200000 Exemplaren hatte. Ab Juni 1993 besaß die Zeitschrift den doppelten Umfang und kam alle zwei Monate heraus. Anfang 1996 betrug die Auflage von Emma 93219 Exemplare. Sie gilt als letzte autonome feministische Publikumszeitschrift.
Im Juli 1978 wies das Landgericht Hamburg eine von Alice Schwarzer initiierte Klage von zehn Frauen ab, bei der es darum ging, ob auf den Titelseiten des Stern Frauen als bloße Sexualobjekte dargestellt werden dürfen. 1987 begann Emma eine Anti-Porno-Kampagne, die der Entwürdigung und Erniedrigung der Frauen entgegenwirken sollte.
Alice Schwarzer ist Mitgründerin des Hamburger Instituts für Sozialforschung (1983), Initiatorin und Vorstandsvorsitzende des FrauenMediaTurm Das feministische Archiv und Dokumentationszentrum, Köln (seit 1983), Mitglied im PEN-Club (seit 1984) und Gründungsmitglied des Kölner Presse-Clubs (1987).
1991 zeichnete die Stadt Wuppertal Alice Schwarzer als Vorkämpferin der deutschen Frauenbewegung mit dem Von-der-Heydt-Preis aus. 1992/1993 moderierte sie alternierend mit Wolfgang Korruhn die Fernseh-Talkshow Zeil um Zehn im dritten Programm des Hessischen Rundfunks (HR 3). 1996 wurde ihr das Bundesverdienstkreuz verliehen. Der Deutsche Staatsbürgerinnen-Verband wählte sie zur Frau des Jahres 1997.
Im März 1998 erschienen zwei Bücher über Alice Schwarzer. Anna Dünnebier und Gerd von Paczensky schrieben das Werk Das bewegte Leben der Alice Schwarzer. Die Biographie. Bascha Mika, die 1994 den Emma-Journalistinnen-Preis gewann, verfasste das Buch Alice Schwarzer. Eine kritische Biographie.
Diese Biografie stammt aus der Taschenbuchreihe „Superfrauen“ des Verlags Ernst Probst (www.frauenbiografien.de.vu).