Eine der ersten Frauen, die im Mittelalter für die Rechte der Frauen kämpften, war die aus Venedig stammende Schriftstellerin und Philosophin Christine de Pisan (13651431). Außerdem gilt sie als die modernste Dichterin des Mittelalters und erste französische Humanistin. Zu ihren bekanntesten Werken zählt Livre de la Cité des Dames (Buch von der Stadt der Frauen).
Christine de Pisan wurde 1365 als Tochter des Astrologen und Arztes Tommaso di Pizzano in Venedig geboren. 1368 holte der französische König Karl V. der Weise (13381380) ihren Vater als Astronom und Leibarzt nach Paris. Christine erhielt Unterricht in Französisch, Latein, Arithmetik und Geometrie. Später meinte sie hierzu, kleine Mädchen würden genau so viel wie Jungen lernen, wenn man sie zur Schule schicken würde.
Im jugendlichen Alter heiratete Christine de Pisan 1379 den 25-jährigen Notar und königlichen Sekretär Etienne Castel (13541388), dem sie drei Kinder gebar. Nach dem Tod von König Karl V. und der Inthronisation seines zwölfjährigen Nachfolgers Karl VI. der Wahnsinnige (13681422) im Jahre 1380 verlor Christines Vater an Einfluss bei Hofe, und damit verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage seiner Familie.
1887 starb Christine de Pisans Vater, und 1888 fiel ihr Mann einer Seuche zum Opfer. Nun musste die junge Witwe außer für ihre eigenen drei Kinder auch für ihre Mutter und ihre zwei minderjährigen Brüder sorgen. Damals hatte sie oft Existenzängste, erlebte Zwangsvollstreckungen und konnte wegen ihrer großen Sorgen häufig nachts nicht schlafen.
In ihrer Not entschloss sich Christine de Pisan, als Schriftstellerin ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Zunächst verfasste sie für ihre Kinder das Erziehungsbuch Buch der Klugheit, das sie an den Herzog von Burgund, Philipp den Kühnen (13421404), einen Sohn des französischen Königs Johann II. der Gute (13191364), verkaufen konnte. 1390 war sie mit ihren Balladen bei einem Dichterwettbewerb erfolgreich.
Zwischen 1399 und 1405 verfasste Christine de Pisan insgesamt 15 Bände. Diese Werke ließ sie von der Handschriftenmalerin Anastasia mit prächtigen Miniaturen schmücken.
Im Geschichtsband Livre des fais et bonnes murs du sage roy Charles V. (Buch der großen Taten und des vorbildlichen Lebenswandels des weisen Königs Karls V.) setzte Christine de Pisan dem Gönner ihrer Familie ein literarisches Denkmal. Außerdem schrieb sie die gesellschaftspolitischen Werke Livre du Corps de policie (Buch vom Staatswesen) und Livre de la paix (Buch vom Frieden), in dem sie zum Hundertjährigen Krieg (13391453) zwischen England und Frankreich Stellung bezog und sich für Frieden und Einigkeit einsetzte.
Die Liebe und die Beziehungen zwischen den Geschlechtern behandelte Christine de Pisan in den Werken Livre du duc vrais amans (Buch vom wahrhaft liebenden Herzog) und Cent Ballades damant et de dame (Hundert Balladen über einen Liebenden und seine Herzensdame).
In Épitre au dieu damour (Sendbrief vom Gott Amor) kritisierte Christine de Pisan frauenfeindliche Tendenzen ihrer Zeit. In ihrem Hauptwerk, dem Buch über die Stadt der Frauen, forderte sie keine Neuordnung der sozialen Rollen, sondern die Verteidigung der Frauen gegen die verbalen und sexuellen Angriffe überheblicher Männer. Die Stadt der Frauen war als allegorischer Zufluchtsort für die glücklichen Bürgerinnen im Königreich Fémenie erdacht. Als Baumaterial sollten die lobenswerten Taten und Werke gelehrter Frauen vergangener Zeiten dienen.
Besonders kritisch setzte sich Christine de Pisan mit dem französischen Dichter Jean de Meung (um 1240um 1305) auseinander, der im zweiten Teil des Rosenromans ein sehr negatives Frauenbild vertritt. Sie widerlegte die Jahrtausende alte Lehre von der geistigen und moralischen Minderwertigkeit der Frauen und gründete den Court amoureuse, ein Minnegericht.
Stark autobiographisch geprägt ist Christine des Pisans Roman Avision Christine (Christines Vision, um 1410).
Darin schilderte sie unter anderem ihre wirtschaftlich schweren Zeiten als junge Witwe und wie sie unter vielen Belästigungen, widerlichen Blicken und dem Spott angetrunkener, im Überfluss lebender Männer zu leiden hatte.
Englands König Heinrich VIII. (14911547) lud Christine de Pisan an seinen Hof ein, doch sie nahm dieses Angebot nicht an. Ab 1418 lebte sie im Kloster der Dominikanerinnen von Saint-Louis in Poissy. Mit dem Gedicht Ditìé de Jehanne dArc (1430) feierte sie die Jungfrau von Orléans (14121431) als Heldin. Von zeitgenössischen Dichtern wurde Christine de Pisan hoch verehrt. Sie starb 1431 in Poissy.
Diese Biografie stammt aus der Taschenbuchreihe „Superfrauen“ des Verlags Ernst Probst (www.frauenbiografien.de.vu).