Als rührige Frauenrechtlerin und Führerin der deutschen Abstinenzbewegung erwarb sich die deutsche Pädagogin und Sozialpolitikerin Ottilie Hoffmann (18351925) große Verdienste. Sie hob den Frauen-Erwerbs- und Ausbildungs-Verein mit aus der Taufe, gründete den Deutschen Bund abstinenter Frauen und war maßgeblich an der Entstehung des Bremer Mäßigkeitsvereins beteiligt.
Ottilie Franziska Hoffmann kam am 14. Juli 1835 in Bremen zur Welt. Sie besuchte die von Betty Gleim (17811827) gegründete Töchterschule und galt als eine begabte Schülerin. Ermutigt durch die Bremer Schriftstellerin Marie Mindermann (18081882), wählte sie den Lehrerinnenberuf. Eine ihrer Schülerinnen war die spätere Sozialpolitikerin Hedwig Heyl (18501934), die ihr bescheinigte, eine ausgezeichnete Pädagogin gewesen zu sein.
Das Leben der tief religiösen Ottilie Hoffmann wurde stark von Nächstenliebe geprägt. Sie war eine echte Idealistin, die fest an das Gute und Edle im Menschen glaubte. 1865 engagierte sie sich in der damals noch jungen deutschen Frauenbewegung. Dank ihrer rhetorischen und organisatorischen Begabung stand sie bald in deren vorderster Reihe. Mit Nachdruck setzte sie sich für die Mädchenbildung ein.
Zusammen mit anderen Frauen gründete Ottilie Hoffmann 1867 den Frauen-Erwerbs- und Ausbildungs-Verein, der viele Bremerinnen auf das kaufmännische, gewerbliche und hauswirtschaftliche Leben vorbereitete. Sie erledigte einen großen Teil der Verwaltungsarbeit und regte während ihrer Vorstandstätigkeit weitere Einrichtungen an: Abendheim, Bücherei, Frauenchor, Handarbeitslehrerinnenseminar und Vortragsreihen mit berühmten Rednerinnen.
Während der 1880-er Jahre arbeitete Ottilie Hoffmann in England als Erzieherin im Haus von Lady Rosalind Carlisle. Damals begeisterte sie sich für das soziale Engagement englischer Frauen in der Temperancebewegung, die sich für die Enthaltsamkeit vom Alkohol einsetzte. Als erste deutsche Frau schloss sie sich dem Weltbund Christlicher Abstinenter Frauen an und trug die Weiße Schleife als Abzeichen. Nach ihrer Rückkehr entwickelte sie sich in Deutschland als Führerin der Abstinenzbewegung.
Als sich beim Aufbau der Ausstellungshallen für die Norddeutsche Gewerbe- und Industrie-Ausstellung im Bremer Bürgerpark 40 Betriebsunfälle ereigneten, weil die Arbeiter in der Kantine nur Bier und Branntwein erhielten, wusste Ottilie Hoffmann schnell Abhilfe: Sie gründete 1890 mit Unterstützung des Vaterländischen Frauenvereins eine Küche, die für fünf Pfennig eine Tasse Kaffee und für zehn Pfennig Erbsensuppe anbot. Der Erfolg dieser Maßnahme: Beim Abbau der Ausstellung gab es keine Unfälle mehr.
Am 12. Februar 1891 hoben Ottilie Hoffmann und Johannes Schröder (18371916) den Bremer Mäßigkeitsverein aus der Taufe seit 1915 Bremer Verein für alkoholfreie Speisen genannt. Dieser Verein errichtete zahlreiche Speiseküchen, in denen gesunde und alkoholfreie Speisen angeboten wurden. Über die zahlreichen Küchen hatte Ottilie die Oberaufsicht.
1894 gewann Ottilie Hoffmann den Oberstleutnant Curt von Knobelsdorff (18391904), der l888 in Berlin das Blaue Kreuz gegründet hatte, dafür, in Bremen einen Zweigverein des Blauen Kreuzes aus der Taufe zu heben. Dieser Abstinenzverband, der seit 1959 Blaues Kreuz in Deutschland e. V. heißt, stellte sich die Rettung von Alkoholikern zur Aufgabe. Auch Ottilie trat in diesen Bund ein. Ebenfalls 1894 wählte man sie in den Vorstand des Bundes Deutscher Frauenvereine.
Am 17. Juli 1900 gründete Ottilie Hoffmann den Deutschen Bund für abstinente Frauen, der 1924 in Deutscher Frauenbund für alkoholfreie Kultur umbenannt wurde. In der Folgezeit kam es zu weiteren Gründungen in 150 deutschen Städten, wo nach Bremer Vorbild ebenfalls oft alkoholfreie Gaststätten eingerichtet wurden.
Ottilie Hoffmann nahm an internationalen Kongressen teil, gab Flugschriften heraus, verfasste Petitionen und Zeitungsartikel, pflegte eine umfangreiche Korrespondenz, hielt Vorträge, klärte in Schulen auf und beteiligte sich als Demokratin am politischen Leben. Einmal wurde sie sogar von der Kaiserin in Berlin empfangen. Im großen Garten ihrer alkoholfreien Gaststätte in Bremen-Hemelingen verköstigte Ottilie Hoffmann während des Sommers viele Arbeiterkinder und regte damit die bremische Kindererholung an.
1912 übertrug Ottilie Hoffmann der Adligen Gustel von Blücher (18601940) aus Dresden die Leitung ihres Frauenbundes, um sich ganz Aufgaben in Bremen widmen zu können. Damit auch ohne Gasthausbesuch und ohne Alkohol keine Langeweile aufkam, hielt sie meistens im Saal des Gewerbehauses 75 Volksunterhaltungsabende ab, bei denen junge und alte Menschen sowie Arbeiter und Unternehmer zusammen saßen.
Besonders wertvoll waren die Küchen von Ottilie Hoffmann während des Ersten Weltkrieges (19141918) sowie in Zeiten der Inflation und Arbeitslosigkeit: Allein in einem einzigen Jahr wurden nahezu vier Millionen Portionen warmes Essen ausgeben.
Für den Frauenbund erwarb die Ottilie Hoffmann in Bremen zwei Häuser in der Neuenstraße und in der Katharinenstraße und begann eine Reform der Gaststätten für alle Schichten der Bevölkerung. Sie legte großen Wert auf gepflegte und preiswerte Speisen sowie auf freundliche Bedienung ohne Trinkgelder. 1921 übergab die 85-Jährige den Vorsitz des Frauenvereins für alkoholfreie Kultur in Bremen (Deutscher Bund für abstinente Frauen, Ortsgruppe Bremen) an die Lehrerin Anna Klara Fischer (18871967).
Am 20. Dezember 1925 starb Ottilie Hoffmann im Alter von 90 Jahren in Bremen. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem fast alle ihre Gaststätten zerstört wurden, errichtete der Frauenbund mehrere neue Ottilie-Hoffmann-Häuser.
Zu Ehren der verdienten Pädagogin und Sozialpolitikerin beschloss der Senat von Bremen am 17. Dezember 1945, die Karl-Peters-Straße im Bürgerparkviertel in Ottilie-Hoffmann-Straße umzubenennen.
Diese Biografie stammt aus der Taschenbuchreihe „Superfrauen“ des Verlags Ernst Probst (www.frauenbiografien.de.vu).