Eine bedeutende Vorkämpferin für die Rechte der Frau sowie eifrige Gründerin zahlreicher sozialer Einrichtungen in Deutschland war die deutsche Sozialpolitikerin Hedwig Heyl (18501934), geborene Crüsemann. Ihr verdanken die hauswirtschaftliche und sozialpädagogische Bildung und Berufsausbildung wichtige Impulse.
Hedwig Crüsemann wurde am 3. Mai 1850 in Bremen geboren. Ihr Vater Eduard Crüsemann (18261869) war 1857 einer der beiden Gründer des Norddeutschen Lloyd und dessen erster Direktor. Die Crüsemanns stammten aus Berlin und haben sich nach der Hochzeitsreise 1849 in Bremen niedergelassen, wo der Bräutigam den Beruf des Kaufmanns erlernt hatte und sich mit einer eigenen Firma selbständig machte.
Eine der Lehrerinnen von Hedwig Heyl war Ottilie Hoffmann (18351925), die Mitbegründerin des Frauen-Erwerbs- und Ausbildungsvereins und Vorkämpferin gegen den Alkoholmissbrauch. Entscheidend für das Leben von Hedwig war der Aufenthalt im Mädchen-Erziehungsheim Watzum in Wolfenbüttel. Dieses Heim wurde von Henriette Schrader Breymann (18271899), einer Nichte des Pädagogen Friedrich Fröbel (17821852), der den ersten Kindergarten gegründet hatte, geleitet.
Im Januar 1869 heiratete die 18-jährige Hedwig Crüsemann den zehn Jahre älteren Georg Heyl (18401889), den Inhaber einer Farbenfabrik in Berlin-Charlottenburg. Im Laufe ihrer Ehe kamen fünf Kinder zur Welt. Die junge Frau besaß ein anmutig-verbindliches Wesen, einen starken Willen und ein großes Durchsetzungsvermögen und engagierte sich zunehmend auf sozialem Gebiet.
Als erstes richtete Hedwig Heyl im Gartensaal ihres Hauses einen Kinderhort ein. Zusammen mit Henriette Schrader-Breymann gründete sie den Berliner Verein für Volkserziehung und das Pestalozzi-Fröbel-Haus in Schöneberg, dem 1884 eine Haushaltsschule für Mädchen angeschlossen wurde. 1885 folgte die Einrichtung einer Speiseanstalt für Arbeiter, in der zugleich eine wirtschaftliche Ausbildung von Fabrikmädchen möglich war.
1890 hob Hedwig Heyl in Berlin-Marienfelde die erste Gartenbauschule für Frauen aus der Taufe. Sie erinnerte sich nach einer Krankheit an die heilende Wirkung der Gartenarbeit, die sie auf dem Besitztum des Barons Ludwig Knoop (18211894) in Bremen-St. Magnus kennen gelernt hatte.
Außerdem betätigte sich Hedwig Heyl als Schriftstellerin. Aus ihrer Feder stammt das Abc der Küche (1888), das sich zu einem der bekanntesten deutschen Kochbücher entwickelte.
Die lange Liste der Leistungen von Hedwig Heyl umfasst zudem den Bau eines Jugendheims in Charlottenburg, dessen Leitung sie ihrer jungen Mitarbeiterin Anna von Gierke (18741949) übertrug, die Beteiligung an der Gründung des Lettehauses für gewerbliche Fachausbildung in Berlin, die Gründung von fast 20 Frauenvereinen, die Organisation des Internationalen Frauenkongresses 1904 in Berlin und der Internationalen Volkskunstausstellung in Berlin 1908 sowie die Ausstellung Die Frau im Haus und Beruf von 1912.
Nach dem Tod ihres Mannes leitete Hedwig Heyl zeitweise seine Fabrik. Zu ihrem 70. Geburtstag verlieh ihr die Berliner Universität die Ehrendoktorwürde.
Von kompromisslosen Vertreterinnen der jüngeren Generation wurde die große Praktikerin der deutschen Frauenbewegung mitunter ein wenig belächelt, weil sie eine typische Vertreterin des liberalen Großbürgertums war.
Die Frauenrechtlerin Gertrud Bäumer (18731954) jedoch sagte über sie: Sie zeigte, wo sie stand, als Arbeitgeberin und Bürgerin, den produktiven Blick und die schöpferische Kraft der Hausfrau. Immer ging sie davon aus.
Am 23. Januar 1934 starb Hedwig Heyl im Alter von 83 Jahren in Berlin. In Bremen erinnert seit 1957 im Stadtteil Schwachhausen eine wenngleich kurze Hedwig-Heyl-Straße an die Vorkämpferin für die Rechte der Frau.
Diese Biografie stammt aus der Taschenbuchreihe „Superfrauen“ des Verlags Ernst Probst (www.frauenbiografien.de.vu).