Der Hallenser Virologe Alexander Kekulé ist noch nicht überzeugt, dass die neue Omikron-Variante des Coronavirus tatsächlich so viel infektiöser ist, wie teilweise angedeutet.
Halle (Saale) (dts Nachrichtenagentur) – Bisher liege nur die genetische Information von B11529 vor, sagte er dem Fernsehsender n-tv. „Die sieht so aus, als wäre es eventuell möglich, dass Impfdurchbrüche oder Zweitinfektionen möglich sind.“ Nur anhand der Gene könne man dies aber nicht feststellen. Ähnlich vorsichtig hatte sich am Freitag bereits Charité-Virologe Christian Drosten geäußert. „Veränderungen im Genom sind allein nicht ausreichend, um von einer besorgniserregenden Situation zu sprechen“, so Drosten. Noch sei unklar, ob die Variante tatsächlich ansteckender ist oder ob ein anderer Faktor Grund für die momentan beobachtete Ausbreitung ist. Die Bewertung der Variante sei noch nicht abgeschlossen.
Die Befürchtungen der WHO
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte B11529 am Freitag nach dem 15. Buchstaben des griechischen Alphabets Omikron benannt und als „besorgniserregend“ eingestuft. Das bedeutet, dass eine Variante ansteckender sein oder zu schwereren Krankheitsverläufen führen könnte. Außerdem besteht die Gefahr, dass herkömmliche Impfungen, Medikamente oder Corona-Maßnahmen weniger wirksam sind. Nach den Worten eines WHO-Sprechers wird es aber noch „einige Wochen“ dauern, bis Wissenschaftler die Folgen verstehen können. Kekulé zufolge müssen als nächstes Zellkulturen der Mutation angelegt werden, um ihre Eigenschaften überprüfen zu können. In diese Kulturen wird seinen Angaben zufolge das Blut von Menschen hineingegeben, die bereits infiziert waren. Dann könne man testen, ob die Antikörper das Virus blockieren, sagte er n-tv. „Erst danach kann man sehen, ob eine Gefahr von Durchbrüchen besteht.“
Entwarnung in drei Wochen
Der Hallenser Virologe kann sich demnach vorstellen, dass „wir in drei Wochen wieder Entwarnung geben“. Seinen Angaben zufolge besteht die Möglichkeit, dass sich Omikron im südlichen Afrika vor allem in Nestern ausgebreitet hat, die noch unberührt von der Delta-Variante des Coronavirus waren. In Südafrika habe lange die Beta-Variante vorgeherrscht, so Kekulé. Die sei im Vergleich zu Delta „aber eine Regionalligamannschaft, wenn Sie so wollen“. Ursache für die schnelle Verbreitung könne der sogenannte „Founder“-Effekt sein, sagte der Virologe weiter, der Gründereffekt. Möglicherweise habe sich Omikron nur durchgesetzt, weil sie „ungemachtes Terrain“ gefunden habe, wo es noch keine andere Variante wie Delta gab.
Das sagt Drosten
Auch Christian Drosten hält es für möglich, dass regionale Effekte die schnelle Ausbreitung von Omikron begünstigt haben. „Da das Infektionsgeschehen zuletzt stark reduziert war, ist es denkbar, dass neu auftretende Ausbrüche vor einem sehr kleinen Hintergrund an anderen Viren übergroß erscheinen, und dies in anderen Ländern, in denen eine höhere momentane Infektionstätigkeit herrscht, kaum auffallen würde“, sagte der Berliner Virologe. Diese Unsicherheit werde sich in wenigen Tagen aufklären. Auch mit Blick auf die Wirksamkeit der Impfstoffe sind beide Virologen vorsichtig optimistisch. „Nach derzeitigem Ermessen sollte man davon ausgehen, dass die verfügbaren Impfstoffe grundsätzlich weiterhin schützen“, meint Drosten. Der Schutz gegen schwere Infektionen sei besonders robust gegen Virusveränderungen.
Das ist der beste Schutz
„Der beste Schutz auch gegen die neue Variante ist daher das Schließen aller Impflücken in der Bevölkerung und die schnelle Verabreichung von Auffrischungsimpfungen.“ Kekulé kann sich theoretisch sogar vorstellen, dass Menschen, die bereits geimpft oder genesen sind, „perfekt immun“ gegen Omikron sind. Man müsse sich Mutationen wie Lego vorstellen, sagte er. „Sie können mit verschiedenen Arten von Legosteinen ähnlich aussehende Häuser bauen.“ Bisher habe man von der neuen Variante nur die Bausteine gesehen, aber wisse noch gar nicht, was diese daraus gebaut habe.