Der fröhliche Grieche und der hässliche Deutsche
eine Kolumne von Patrick Meier
Auf Twitter wird zum Boykott deutscher Produkte aufgerufen. Griechenland-Kenner Patrick Meier erzählt, worum es dabei wirklich geht.
Der fröhliche Grieche und der hässliche Deutsche. Die Welt hat ihre alte Ordnung wieder. 2004 zeigte eine griechische Fußballnationalmannschaft wie schön Underdog-Fußball sein kann. 2006 zeigte Deutschland sein fröhliches Gesicht und alle Welt wunderte sich, aber in einer Welt in der Griechen Fußballeuropameister werden, können auch Deutsche fröhlich und nett sein.
Diese Phase ist glücklicherweise vorbei, dies hat zumindest die Netzgemeinde beschlossen und auch einige ausländische Medien sind sich mit der #boycottgermany – Gemeinde einig. Hätte es die böse Angela und den miesen Wolfgang nicht gegeben, dann würde heute die Sonne über einer schuldenbeschnittenen Akropolis scheinen.
Stattdessen müssen die Griechen sich nun um den Verkauf ihres Tafelsilbers bemühen, ihre Verwaltung reformieren und strukturieren und ihr Steuersystem auf Vordermann bringen.
Dafür gibt es aus der „Haushaltskasse“ der EU nochmal ca. 90 Milliarden Euro.
Boykott des „vierten Reichs“
Im Netz finden dies viele nicht so gut und rufen daher zum Boykott deutscher Waren auf. Ein viertes Reich (gähn) soll verhindert werden und wir würden nun nicht mehr mit Gewehren und Panzern Krieg führen, sondern mit Banken.
Der fröhliche Grieche und der hässliche Deutsche. Die Welt hat ihre alte Ordnung wieder. Der Deutsche zahlt und lässt sich dafür beschimpfen, sind wir ja auch selbst Schuld. Hätten ja keinen Weltkrieg anfangen müssen und dazu aufrufen keine Produkte bei…ach lassen wir diesen unglückseligen Vergleich.
Natürlich zahlen nicht nur wir Deutschen, die anderen Euro-Länder zahlen auch Nur die Briten wollen nicht, aber die wollen nie zahlen, sondern immer nur „money back“, quasi eine Form des solidarischen Griechendaseins.
Merkelland als Prügelknabe
Dennoch boykottiert werden sollen nicht die Esten oder Finnen, wir sind es, die herhalten müssen. Ist auch verständlich, für viele US-Amerikaner – von dort nahm auch die Twitter-Welle ihren Lauf – ist Deutschland irgendwie auch Europa, denn auf der Europakarte finden sie kaum andere Länder. Daran ist das TV Schuld! Immer wenn es um Deutschland geht, werden den Amerikanern alte Nazikarten gezeigt, auf denen Deutschland von Afrika bis Moskau geht. Daher muss dieses Merkelland jetzt boykottiert werden.
Der letzte Boykott wurde 1887 im Rahmen des „Merchandise Marks Act 1887“ in UK gestartet. Dabei ging es darum, Waren aus anderen Ländern – außer dem Empire – als nicht-britische Güter zu kennzeichnen. „Made in Germany“ ist heute noch ein Markenbegriff von dem die deutsche Wirtschaft extrem profitiert. Der Boykott bewirkte also das Gegenteil.
#boycottgermany wird hoffentlich auch das Gegenteil bewirken, denn ein Europa, in dem die deutsche Wirtschaft nicht mehr als Motor agieren kann, wird das Griechenlanddebakel wohl kaum stemmen können. Die deutschen Steuerzahler werden mit den anderen großen Zahlernationen der EU die griechische Rechnung begleichen müssen. Der gereichte Ouzo, zur aktuellen Rettungsrechnung, hat dabei leider eher Fuselqualität und wenig mit einem 7-Sterne-Metaxa zu tun. Daher ist es nur verständlich, wenn Merkel möglichst lange versucht hat, die Rechnungssumme klein zu halten.
„Ouzo auf die Haus“
Griechenland ist ein wundervolles Land. Fröhliche Menschen, tolle Strände, antike Bauten und immer und überall eine „Ouzo auf die Haus“. Alle Griechenlandurlauber lieben den etwas nachlässigen Umgang mit Dingen wie Quittungen, Belegen und Regeln. Alles hat seinen Rhythmus, alles geht seine Wege, aber nie geht ein Grieche zum Steuereintreiber, lieber bringt er sein Geld auf ein Auslandkonto und lässt es dort heranwachsen. Neue Schulen & Straßen, Renten & Pensionen, olympische Sportstätten und ein Militärapparat á la Nordkorea können ja aus den Kassen in Brüssel bezahlt werden.
So kommt es einem vor, und so kam es mir in fast jedem Griechenlandurlaub vor. Kein Dorf ohne ein EU-Förderprojektschild und ohne Kaserne. Der Euro ein Segen, die Steuer und die Regeln der Eurozone eine Tragödie.
Vergessen wir doch einfach auch nicht, dass Griechenland es über Jahre auch versäumt hat, seine Steuer-/Verwaltungsinfrastruktur zu reformieren und viele EU-Politiker fröhlich dabei zugesehen haben.
Der Grieche und der Deutsche
Nicht der GRIECHE und nicht der DEUTSCHE sind an der Misere schuld. Schuld haben korrupte und egoistische Politiker, die dem Treiben zu lange zugesehen haben und nun vor einem Scherbenhaufen stehen. Da ist es schön, wenn davon abgelenkt wird und ein wenig Zwietracht entsteht.
Ich hoffe diejenigen, die heute zum Boykott deutscher Waren aufrufen, wissen wessen Geistes Kinder sie da zum Teil rufen.
Mir gefällt am besten der tweet von @stefanolix: Ich boykottiere heute auch. Bin aber nicht für #BoycottGermany, sondern für #BoycottStupidity.
In diesem Sinne sollten wir alle hoffen, dass der kleine Fischerjunge in keine hoffnungslose Zukunft schaut – aber in eine, in der die Europäer wissen, was sie sich gegenseitig zu verdanken haben. Fahrt nach Griechenland in den Urlaub, kauft Olivenöl und Wein, genießt die Sonne und das Meer. Lasst euch von der Fröhlichkeit der Menschen anstecken und entdeckt den Griechen in euch. Wichtig dabei „sigá-sigá“ :-) (Das Leitmotto der Inselgriechen)
Patrick Meier
Patrick Meier (@mainbube) ist Blogger, Verlagsfachwirt und Onliner. Ins Internet schreibt er bereits über zehn Jahre und berät Kunden bei allen Fachfragen rund um das Thema Media. Griechenland hat er mehrfach bereist und kennt Land und Leute, daher traut er sich auch eine Meinung zu dem zu, was dort über Jahre schiefgelaufen ist.
Patrick ist Chefblogger bei Blogg.de
Updates & Links
1 #BoycottGermany | Finanzmarktwelt.de
2 Und zahlst Du nicht willig, so brauch ich Twitter | Tichys Einblick
Tja, der Grundsatz „Man beisst nicht die Hand, die einen füttert!“ hat wohl keinen Bestand mehr.
Echt traurig, wenn beim Bemühen, den Griechen zu helfen, das herauskommt. Nicht Deutschland hat Griechenland in diese missliche Lage gebracht, sondern Politiker, die vom griechischen Volk gewählt wurden und das Verhalten der Griechen selbst.
Mit den Zinserleichterungen durch den Euro wurde „Party gefeiert“, anstatt in die Zukunft zu investieren. Und jetzt sind andere schuld.