ein Beitrag von Mira Christine Mühlenhof

Welche Motivation für die USA?
Ungewöhnliche Einblicke in die Persönlichkeitsstrukturen der Präsidentschaftskandidaten
Clinton versus Trump – die Welt blickt in diesem Jahr auf die Vereinigten Staaten von Amerika. Es herrscht weitgehend Konsens: Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten haben die Wähler nur die Wahl zwischen Pest und Cholera. Woran liegt es, dass Trump und Clinton beide auf so wenig Gegenliebe stoßen, weder im eigenen Land, noch sonst wo, und zwar jede/r auf seine Art?
Versuchen wir mal, politische Inhalte und die Personen, die sie vermitteln, voneinander zu trennen. Und stellen wir die Frage: Was motiviert eigentlich die Präsidentschaftskandidaten? Mit welchen Persönlichkeiten haben wir es hier zu tun?
Um diese Fragen beantworten zu können, sind Persönlichkeitsmodelle dienlich. Sie helfen uns dabei, verschiedene Aspekte der Persönlichkeit einzuordnen und ein Bild der Persönlichkeit zu zeichnen, das über sichtbare Attribute hinausgeht.
Hillary Clinton: Mrs. Perfect
„Wir müssen aufhören an Einzelne zu denken und anfangen darüber nachzudenken, was für die Gesellschaft am besten ist.“ In diesem Zitat können wir einen ersten Hinweis auf die intrinsische Motivation Clintons entdecken: Perfektion. Der innere Antrieb ist per Definition wie ein Motor der Persönlichkeit zu verstehen, der das Denken, Fühlen und Handeln des Akteurs bestimmt. Das Grundgerüst seines Charakters. Ja, wir können von einer Handlungsmotivation sprechen, die von außen – also extrinsisch – nicht zu beeinflussen ist. Im Gegenteil. Oftmals agiert sie sogar unbewusst, sprich: Die wahren Gründe des eigenen Handelns liegen auch für die Person selbst bis zu einem gewissen Grad im Verborgenen.
Eine Persönlichkeitsanalyse mit Hilfe des Enneagramms ist wie das Zusammensetzen eines großen Puzzles. Das gesamte Bild wiederum lässt Rückschlüsse auf die intrinsische Motivation des Menschen zu. Bei Hillary Clinton können wir beobachten, dass sie hohe Ansprüche hat, insbesondere an sich selbst. Daraus können wir ein Lebensthema ableiten: das unbedingte Streben danach, besser zu werden.
Das Persönlichkeitsmuster im Überblick

Ein Mensch dieses Musters gilt als penibel und genau, ordnungsliebend und streng. Er unterliegt einer permanenten Selbstkritik und spornt sich (und andere!) zu jeder Zeit zu Höchstleistungen an.
Betritt eine Perfektionistin einen Raum, fällt ihr erster Blick sofort auf die „Imperfektion“: Die Wollmäuse unter dem Tisch, die Spinnenweben in der hinteren Zimmerecke und die zu hohe Raumtemperatur. Sich selbst möchte sie ebenfalls perfektionieren. Sie fragt sich: „Bin ich auch richtig angezogen?“ oder „Habe ich etwas Falsches gesagt?“ Hillary Clinton ist sich selbst der größte Kritiker.
Gut ist ihr niemals gut genug, 120 Prozent sollten es schon sein. Deswegen bemüht sie sich, den Erwartungen zu entsprechen. Entspricht etwas nicht ihren hohen (moralischen) Vorstellungen, kann sie ihren Groll nur schwer hinter einem Lächeln verbergen – aber runterschlucken ist immer noch besser als öffentlich Fehler zuzugeben. So könnte man Hillary Clintons Umgang mit der öffentlichen Affäre ihres Mannes deuten: Wichtig war ihr, Haltung zu wahren wie ein Zinnsoldat.
Der Schatten der Persönlichkeit
Im Wahlkampf zeigt die Kandidatin – keine Überraschung – ihre Sonnenseite. Die Schattenseite, die per se jedem Menschen innewohnt, kann sie zwar gut überspielen, sie wird aber dennoch spürbar und haftet Hillary Clinton bereits als Manko an: Die Amerikaner empfinden sie als unlocker. Aus diesem Grund bemüht sie sich, nicht mehr nur das Bild der strengen Kandidatin abzugeben, sondern entspannt und fröhlich in die Kameras zu lächeln.
Ein Mensch mit dem Persönlichkeitsstil Clintons ist bemüht, zu jeder Zeit das Bild einer braven Musterschülerin abzugeben. Bei Hillary Clinton zeigt sich das in merkwürdig anmutenden Frisuren (das verbindet sie sogar mit ihrem Kontrahenten) und einem wenig glücklichen Händchen für Mode. Auf der Verhaltensebene führt ein zu starker Perfektionswille dazu, dass andere Menschen permanent kritisiert und gemaßregelt werden. In der Politik wirkt dieser Charakterzug wie ein Bumerang, denn Wähler möchten sich nicht gemaßregelt fühlen. Wird der Drang nach Perfektion und Reformen zu stark, kann der eigene Zorn nicht mehr kontrolliert werden. Dann wird er sichtbar – und das eigene Persönlichkeitsmuster zur Falle.
Eine Reformerin im falschen Land
Wir halten fest: Die intrinsische Motivation lenkt das Denken, Fühlen und Handeln eines Menschen – und lässt somit auch Rückschlüsse zu, wie Hillary Clinton sich im Amt der US-Präsidentin positionieren würde. Inwieweit ist ihr eigenes Selbstbild mit der Identität des Landes deckungsgleich? Hillary Cliton steht mit ihrer Persönlichkeit für den inneren Glaubenssatz: „Ich habe Recht.“
Aus diesem Selbstbild heraus können wir erwarten, dass die Präsidentschaftskandidatin ihre Reformpläne zwar durchaus gut vermitteln, mit ihrer Persönlichkeitsstruktur bei den Amerikanern jedoch nicht punkten wird. Ihr fehlt es an Charme und Lockerheit – einer wichtigen Qualität in einem Land, in dem eine Karriere vom Tellerwäscher zum Millionär mit Leichtigkeit zu machen ist. Zumindest theoretisch.
Donald Trump: Mr. Großmaul

„Wenn jemand dich herausfordert, schlag zurück. Sei brutal, sei hart.“ In dieser Aussage können wir einen ersten Hinweis auf die intrinsische Motivation des Kandidaten entdecken. Bei Donald Trump sieht es so aus, als sei es der Kampf oder vielmehr das Prinzip Contra. Sein Lebensthema ist der Kampf um Aufmerksamkeit, der jetzt im Showdown um die Präsidentschaft seinen Höhepunkt findet.
Trumps Persönlichkeitsmuster
Die Haupteigenschaften von Menschen, die durch Kampf motiviert sind: Sie sind mutig, engagiert und konfrontativ. Kämpfer suchen sich ihren Platz in der ersten Reihe, gehen dabei sehr impulsiv vor und scheuen sich nicht, für Schwächere in den Ring zu steigen. Ihre größte Genugtuung besteht darin, sich selbst zu überwinden. Dafür brechen sie Regeln und Konventionen und stürzen sich kopfüber in größte Abenteuer – letztlich nur, um sich selbst zu spüren. Rein äußerlich und auch in ihrem Auftreten ähneln sie Machtmenschen. Auch Trump wird oft als ein solcher tituliert. Menschen, die von Macht motiviert werden, haben jedoch ein anderes Selbstbild: Sie gehen davon aus, ihren Status lediglich verteidigen und nicht erst um ihn kämpfen zu müssen.
Menschen mit einer Kämpfer-Struktur haben eine auffällig schwierige Beziehung zu Autoritäten: Sie ordnen sich nicht unter. Wie Boxer feilen sie lange vor dem Kampf an ihrer Strategie und versuchen, diese gnadenlos umzusetzen, selbst wenn es dafür mal unter die Gürtellinie geht. Auch Trump hat seine Kandidatur viel länger geplant als er das bisher zugegeben hat.
Der Sprachstil des Kandidaten mit der skurrilen Frisur ist herausfordernd und provozierend, eine stetige Aufforderung zum Kampf. Angriff ist für ihn die beste Verteidigung. Seine Selbstsicherheit hingegen ist künstlich, mit seiner Maskerade täuscht er sich und andere über seine eigentliche Unsicherheit hinweg.
Der Schatten der Persönlichkeit

Ein Mensch mit dem Persönlichkeitsstil eines Donald Trumps hat ein ausgeprägtes Sicherheitsbedürfnis. Das führt zu einem verstärkten Autonomiewillen. Das Mittel, um diese Autonomie zu erreichen, ist die Rebellion. Der geplante Aufstand. Der Populist verfügt über einen sehr gut entwickelten Instinkt für taktisches Vorgehen und galt schon in seiner Kindheit als Intrigant. In vielen Bereichen seines beruflichen und privaten Lebens agiert er als Wendehals – dieser Aspekt seiner Persönlichkeit könnte ihm im Wahlkampf zur Falle werden.
Hauptsache Contra
Wir erinnern uns: Die intrinsische Motivation lenkt das Denken, Fühlen und Handeln eines Menschen – und lässt somit auch Rückschlüsse darauf zu, wie der Kandidat als US-Präsident agieren würde. Seine Selbstüberzeugung sagt ihm: „Ich muss kämpfen, sonst fühlt sich das Leben nicht wahrhaftig an.“ Aus diesem Selbstbild heraus können wir erwarten, dass er, sollte er die Wahl für sich entscheiden, seinen persönlichen Lebenskampf auf die ganze Welt projizieren würde.
Perfektion versus Kampf
Es sieht so aus, als würde Amerika ab Herbst 2017 entweder von einer zielstrebigen Musterschülerin regiert, die zwar Reformen vorantreiben will, ansonsten aber eher verkrampft wirkt. Oder: Die Amerikaner werden von einem ungehobelten Rebellen und Angstbeißer gelenkt, der heute den Wählern den Schutz verspricht, nach dem er sich eigentlich selbst sehnt. God save America.
Die Autorin
Mira Christine Mühlenhof
Die außergewöhnliche Persönlichkeitsexpertin.
Die Journalistin und Sozialpsychologin Mira Christine Mühlenhof erklärt menschliches Verhalten aus einem überraschenden Blickwinkel. Die Persönlichkeitsexpertin hat altes Wissen um die Tiefenpsychologie des Menschen in die heutige Zeit übersetzt und daraus die Key to see®-Methode entwickelt. Mit ihrem Team bietet sie Coaching und Seminare für mehr Selbst.Bewusst.Sein und FührungsKRAFT.
Ihre Keynotes sind bekannt als humorvolle Erkenntnis-Shows, ihre Kolumnen tragen den Titel: „Zeitgeschehen mal anders“.
2 Kommentare
Wenn man mal wieder über die deutsche Politik verzweifelt, lohnt ein Blick in die USA. Dort sind die Personalsorgen noch viel größer.
Der Trump ist witzig. Hillary nervt. Wählen würde ich keinen von beiden.