Australiens bekannteste Feministin ist die Schriftstellerin, Journalistin und Historikerin Germaine Greer. Ihr Anfang der 1970-er Jahre erschienenes Buch Der weibliche Eunuch gilt als Meilenstein der feministischen Literatur. In diesem in 13 Sprachen verbreiteten Standardwerk ging es um die Versklavung der Frau in der Ehe und um den Kampf um Gleichberechtigung.
Germaine Greer kam am 29. Januar 1939 in Melbourne zur Welt. Ihr Vater arbeitete als Werbemanager bei einer Zeitung und war im Zweiten Weltkrieg als Nachrichtenoffizier auf der Mittelmeerinsel Malta stationiert. Die Kriegserlebnisse hatten ihn psychisch so stark verändert, dass er sich nach der Entlassung aus der Armee 1944 immer mehr von seiner Familie zurückzog.
Als Kind lernte Germaine Greer die deutsche, französische und italienische Sprache. Sie besuchte mit einem Stipendium die von irischen Nonnen geleitete Star of the Sea-Klosterschule bei Melbourne. Dort wuchsen ihr Selbstvertrauen und ihre Liebe zur Literatur und auch ihre Begeisterung für Kunst und Musik. Dank eines weiteren Stipendiums konnte sie an der Melbourne University englische und französische Literatur und an der Universität von Sydney englische Literatur studieren.
Anfang der 1960-er Jahre arbeitete Germaine Greer als Lehrerin an einer Mädchenschule in Sydney. 1963/1964 erhielt sie eine Tutorenstelle an der Universität Sydney. Mit einem Commonwealth Stipendium setzte sie 1964 ihr Studium am Newnham College der Cambridge University in Großbritannien fort. 1967 promovierte sie über frühe Komödien von William Shakespeare (15641616).
Von 1967 bis 1973 wirkte Germaine Greer als Dozentin für englische Literatur an der University of Warwick in Coventry (Großbritannien). Damals trat sie als Gast in Talkshows auf, verfasste Artikel für Wochenzeitungen und Underground-Magazine und beteiligte sich an der Gründung der Erotik-Zeitschrift Suck.
1968 fing Germaine Greer an, über die Befreiung der Frauen zu schreiben. Im selben Jahr heiratete sie Paul du Feu, der auf dem Bau arbeitete und gelegentlich für die Underground-Presse Artikel verfasste. Die Ehe mit Paul du Feu wurde 1973 geschieden.
In ihrem Buch The female eunuch (1970, deutsch: Der weibliche Eunuch) attackierte Germaine Greer die Rolle der Frauen als Sexobjekte. Ihr Werk ist der Aufschrei einer Frau, die erkannt hat, dass die Grenzen, die ihr die Gesellschaft setzt, zur erstickenden Begrenzung ihrer eigenen Person zu werden drohen. Dieses Werk entwickelte sich zum Weltbestseller.
Während der 1970-er Jahre arbeitete Germaine Greer als freiberufliche Journalistin, bereiste Länder der Dritten Welt und recherchierte in Museen und Galerien Europas für ihr Buch über bedeutende Malerinnen mit dem Titel The Obstacle Race: The Fortunes of Women Painters and Their Work (1979, deutsch: Das unterdrückte Talent). In diesem Werk vertrat sie die Auffassung, dass die vergebliche Suche nach einem weiblichen Leonardo, Tizian oder Poussin mit der durch die männliche Dominanz gebrochenen Persönlichkeit der Frau erklärt werden müsse.
1979 nahm Germaine Greer eine Poetik-Dozentur und von 1980 bis 1983 eine Professur an der University of Tulsa (Oklahoma) an. In Tulsa initiierte sie ein Studienzentrum für feministische Literatur, das sie bis 1982 leitete.
In ihrem Werk Sex and Destiny: The Politic of Human Fertility (Die heimliche Kastration, 1984) forderte Germaine Greer eine Rückkehr zu Abstinenz und Keuschheit und verurteilte die Anti-Kind-Haltung westlicher Industrieländer. Es folgten das Buch Shakespeare (1986), der Sammelband über ihre journalistischen Beiträge mit dem Titel The Madwomans Underclothes (1987) und das Werk Kissing the Rod: An Anthology of Seventeenth-Century Womens Verse (1988). Seit 1988 führt Germaine Greer den Verlag Stump Cross Books.
Über die langwierige und schwierige Suche nach der Herkunft ihres Vaters berichtete Germaine Greer in ihrem Buch Daddy, We Hardly Knew You (1989). In The Change: Women, Ageing and the Menopause (1991) behandelte sie das Altern bei Frauen. Die meiste Zeit lebte sie auf ihrem Bauernhof in Italien. Um 1993 übersiedelte sie nach Großbritannien, wo sie als Professorin an der University of Warwick lehrte.
Fast drei Jahrzehnte nach dem Erscheinen ihres Weltbestsellers Der weibliche Eunuch startete Germaine Greer in ihrem Buch The Whole Woman (1999) deutsch etwa: Die Frau total eine neue Offensive für die Befreiung der Frau. Ihre Hauptthese: Das Ziel von Befreiungskämpfen ist nicht die Assimilation, sondern die Betonung des Unterschieds, ihm sollen dabei Würde und Prestige gegeben werden. Frauen würden von Pressionen der Gesellschaft nicht frei, wenn sie sich der Männerwelt anpassten.
Diese Biografie stammt aus der Taschenbuchreihe „Superfrauen“ des Verlags Ernst Probst (www.frauenbiografien.de.vu).